Freitag, 6. Mai 2011

8. Einsendeaufgabe: Leg Dich nicht mit Frauen an


Leg Dich nicht mit Frauen an

Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen Schlusslichter rasch kleiner wurden.

Nun ist sie weg! Zeit der Spielchen vorbei, dachte er. Er nahm den letzten Zug der Zigarette und schnippte sie  auf die Gleise.
Die vier Wochen mit ihr waren schön gewesen. Schön in seinem Interesse. Er hatte gezielt nach ihr, einer hübschen Touristin Ausschau gehalten. Sie  beobachtet, ob sie einen Mann oder einen Freund hatte, oder mit Freunden hier war. Als er wusste, dass dem nicht so war, sprach er sie wie zufällig an.
Sie war gleich Feuer und Flamme und es war ein leichtes für ihn, sie zu sich nach Hause abzuschleppen und flach zu legen.
In Gedanken sah er ihre vollkommenen Brüste, die im Takt zu ihren gemeinsamen Bewegungen wippten. Ihren makellosen Hals mit der glatten, sonnengebräunten Haut und dem dunklen, langen Haar, das ihn umspielte.
Diese langen Haare, die seine Brust kitzelten, wenn sie sich zu ihm runter beugte, um ihn zu küssen. Und das Stöhnen, das sich aus ihrer Kehle befreite, wenn er sie zum Höhepunkt brachte.
Vier Wochen hatten sie zusammen verbracht. Vier Wochen fast nur bei ihm im Bett. Und während der Zeit hatten sie eine Menge Spaß gehabt. Offen für sämtliche, sexuelle Experimente war sie. Und wie eine Raubkatze. Wenn sie ihm mit ihren Fingernägeln über den Rücken kratzte, brachte ihn das zusätzlich zur Ekstase.
Es hatte ihm Spaß gemacht. Fast hätte er sich daran gewöhnen können. Aber nun war sie weg und das Thema abgehakt. Bald würde er sich nach der nächsten umsehen.

Er griff in seine Tasche und fand den Brief, den sie ihm kurz vor Einsteigen in den Zug gegeben hatte.
Sollte er ihn lesen? Wahrscheinlich stand da eh nur wieder so ein Quatsch drin. Von wegen „Wann sehen wir uns wieder?“, „Ich liebe Dich“ und all diesen sentimentalen Weiberscheiß.
Aber er war gerade in der Stimmung, so einen Scheiß zu lesen und sich über die Naivität der Frauen zu amüsieren.
Der Umschlag war nicht zugeklebt und es war ein leichtes für ihn, den Brief zu öffnen. Per Büroklammer hatte sie ihm noch ein Bild auf die Rückseite geheftet. Als Erinnerung, dachte er mit einem Grinsen.
Dann begann er zu lesen:

>> Lieber Tom
Ich möchte  Dir lieber über diese Zeilen mitteilen, was mir die letzten Tage am Herzen lag. Es Dir direkt zu sagen, traute ich mich nicht. Wir kennen uns ja erst seit vier Wochen. Und obwohl wir in der Zeit viel intimes zusammen erlebt hatten, hatte ich Angst, mit Dir darüber zu sprechen.
Vorgestern war ich beim Frauenarzt. Ich habe, durch die schöne Zeit mit Dir, völlig vergessen, zu verhüten und prompt blieb meine Regel aus.
Der Frauenarzt bestätigte mir das, was ich befürchtete. Ich bin schwanger! Von Dir, Tom!
Ich weiß, dass ich das Kind behalte. Zu schön war die Zeit mit Dir und so sehr wünsche ich mir ein Kind. Ich habe Dir ein erstes Bild von Deinem Baby mit beigelegt. Weitere werde ich Dir in meinen späteren Briefen immer wieder schicken. Zum Glück habe ich ja Deine Adresse.
Ich hoffe, Du wirst für das Baby sorgen und uns finanziell unterstützen.
Deine Lisa <<

Geschockt riss er das Bild von der Rückseite und starrte es an. Auf dem Ultraschallbild konnte er kaum etwas erkennen. Lauter schwarz, grau, weiße Flecken, die irgendetwas sein sollten.
„Scheiße!“ stieß er aus. „Scheiße, scheiße, scheiße!“
Dabei zerknüllte er den Brief und steckte sich den, zusammen mit dem Bild, in die Tasche.
Sein Leben war vorbei!


Entspannt lehnte sich Lisa in ihrem Sitz zurück. Sicherlich hatte Tom den Brief bereits gelesen. Sie wusste, dass er geschockt sein würde. Das war ihr Vorhaben. Ihre Mandantin würde erfreut sein, dass der Plan aufgegangen war. Dass sie ihn ein wenig verändert hatte und mit ihm im Bett war, würde sie ihr dezent verschweigen. Wenn sie schon vier Wochen außerhalb arbeiten musste, wollte sie sich auch etwas amüsieren. Sie würde, wie abgesprochen, die Ultraschallbilder ihrer Klientin nehmen und ihm schicken. Ihm durch Unterhaltszahlungen all das viele Geld, dass er durch seine Nachtclubs verdiente, aus dem Kreuz leiern.
Er sah zwar super aus und im Bett war er der absolute Wahnsinn. Das sollte aber keine Entschuldigung dafür sein, dass er Frauen das Herz brach und so manche von ihnen schwängerte, um dann zu verschwinden.
Das würde nun die Rache sein. Ihr Gesicht und der Name ihrer Klientin würden ihn noch lange Zeit in Erinnerung bleiben. Und neben dem Honorar, den sie von ihrer Mandantin bekam, hatte sie auch noch ein wenig Spaß an der ganzen Sache gehabt.