Dienstag, 26. Juli 2011

Lügen mit Herz





Lügen mit Herz


Es war doch zum Mäuse melken!
Da hatten wir Sommer und dennoch konnte man nicht ohne Regenschirm und Jacke aus dem Haus. Die Temperaturen waren auf sechzehn Grad gesunken und draußen stürmte es, als wäre der Herbst eingekehrt. Alles Meckern half nichts: Ich musste mit dem Hund raus in das Sauwetter.
„Bring mir bitte Zigaretten mit!“ rief mein Mann mir noch hinterher.
Ich stapfte mit meinen Gummistiefeln durch die Pfützen, den Jackenkragen hochgekrempelt und die Kapuze fest zusammen gebunden. Kaum jemand war auf den Straßen und so war es mir auch egal, ob ich mit meinen blauen Gummistiefeln, der grauen Jogginghose und meinem Friesennerz auffallen würde. Hauptsache, ich würde trocken bleiben.
Meinem Hund schien das alles nichts auszumachen. Er rannte von einem Busch zum anderen, hob sein Bein und lief weiter. Ab und zu blieb er stehen und sah sich nach mir um.
Schwanzwedelnd machte er an der Telefonzelle halt. Mit ihrem Gelb war sie der einzige Farbtupfer in dem tristen Grau des Tages.
Jemand stand in der Zelle. Um sich vor dem Regen zu schützen, dachte ich. Als ich hinein schaute, sah ich Maik, meinen Nachbarn. Er war in einem Gespräch vertieft. Dabei schaute er nach draußen und lächelte gedankenversunken. Ob er mit seiner Ex-Freundin telefonierte, von der er sich grad erst getrennt hatte? Aber wieso dann aus einer Telefonzelle?
Als sich unsere Blicke trafen und ich meine Hand zum Gruß hob, deutete er mir, zu warten. Ich stellte mich nah an die Zelle, um nicht nass zu werden. Er sah mich fragend an und ich wies mit dem Finger nach oben daraufhin, dass es immer noch regnete.
"Ja, jeden Tag über 30 Grad. Und der Himmel, strahlend blau von morgens bis abends.“
Verwundert sah ich gen Himmel, dann zu ihm durch die Scheibe. Er zuckte nur die Schultern und lächelte.
„Palmen? Ja natürlich sind hier Palmen. Weißt Du doch. Sogar hier vor der Zelle, Dattelpalmen, nehme ich an. Ich stehe hier an dem Türmchen, direkt an der Kreuzung, an der auch Burger King ist.“
Türmchen? Burger King? Dattelpalmen? Der hatte doch nen Vogel! Das einzige, das neben der Telefonzelle stand, war ich und zwar bald triefend nass. Ich hüpfte vor ihm hin und her, tippte mit dem Zeigefinger auf mein Handgelenk und machte ihm klar, dass er sich beeilen sollte.
„Nen Sonnenbrand hab ich. Du kennst mich doch, ich hab wieder viel zu lange in der Sonne gelegen.“ Er lachte.
„Ist meine Karte schon angekommen? Nein? Komisch, ich hab die gleich am ersten Tag abgeschickt. Pedro persönlich hat sie entgegen genommen.“
Meine Ungeduld wuchs und ich fing an, meinen Hund anzuleinen, der brav neben mir lag und mich nun erwartungsvoll ansah. Langsam machte ich einen Schritt von der Telefonzelle weg.
„So Omi, ich muss Schluss machen, es steht jemand vor der Zelle. Ja, ich hab dich auch lieb, bis morgen!“
Kaum hatte er aufgelegt, wich sein fröhlicher Gesichtsausdruck und wurde durch Trauer ersetzt.
„Na du Urlauber, wo ist er denn, dein Sonnenbrand?“ foppte ich ihn, als er die Telefonzelle verlassen hatte.
„Das war meine Oma, die soll glauben, dass ich auf Mallorca bin.“
„Wieso das?“
„Sie hat nicht mehr lange. Ist jetzt im Hospiz. Sie hat mir all ihr Geld gegeben, damit ich nochmal unsere Mallorca Reise mache. Da, wo wir jedes Jahr zusammen hingeflogen sind.“
Ich bekam einen Kloß im Hals. Seine Oma kannte ich sehr gut. Eine herzensgute Frau. Nun bekam ich ein schlechtes Gewissen, da ich ihm nicht mehr Zeit zum Telefonieren gelassen hatte.
„Oh, das tut mir leid. Aber wieso bist Du dann nicht auch geflogen?“
„Weil ich das Geld für ihre Wohnungsauflösung gebraucht habe. Und wenn sie nicht mehr ist… Die Beerdigung kostet ja auch Geld.“
Zusammen gingen wir über die Straße zur Tankstelle.
„Es war ihr letzter Wunsch, dass ich diese Reise mache und ihr täglich davon berichte, so dass sie das Gefühl hat, sie sei selbst dort. Morgen erzähle ihr von unserem Stammrestaurant und lasse sie grüßen.“
Auf seinem Gesicht spiegelte sich Liebe für seine Oma wider. Aber auch Traurigkeit war in seinen Augen zu sehen. Tröstend legte ich ihm die Hand auf die Schulter.
„Ich finde toll, dass du das für deine Oma machst. Das macht sie bestimmt sehr glücklich.“
Er nickte lächelnd.
„Tja, so bin ich halt, ne? Also, ich muss. Schön dich getroffen zu haben. Wir hören uns.“
Ich blickte ihm noch hinterher, wie er in sein Auto stieg und durch den Regen davon fuhr. Dann besorgte ich die Zigaretten und sah zu, dass ich schnell wieder nach Hause kam.

Zwei Tage später bekam ich eine SMS von Maik:
Sie ist nun auf ihrer Insel, schrieb er und ich verstand.

Freitag, 1. Juli 2011

Der gemeine Dauercamper - Artenunterscheidung Teil 1





Der gemeine Dauercamper:
Im Revier des gemeinen Dauercampers kommt man als Beobachter nur zurecht, wenn man die verschiedenen Rassen unterscheiden kann. Diese kann man am besten während der Campingsaison, von März bis Oktober, in ihrer vertrauten Umgebung sehen.

Der gemeine Dauercamper ist die Hauptrasse. Er verbringt während der Saison jede freie Zeit in seinem Territorium und in der Umgebung. Alleinstehende Dauercamper versuchen sich bei Feierlichkeiten mit ihrem Balzverhalten. Einige scheitern jedoch kläglich aufgrund ihres Rufes/Ihrer Art.
Es gibt folgende Arten, unter denen der gemeine Dauercamper sich unterscheidet. Hier der erste Teil.

Die Rassen:

·         Der Schönwetter-Dauercamper:
Dieser Dauercamper hat seinen Wohnwagen für die komplette Saison auf dem Platz stehen. Jedoch meidet er tunlichst das schlechte Wetter. Experten meinen, der Schönwetter-Dauercamper bestehe aus Zucker. Zumindest verhält sich diese Rasse so.
Scheint die Sonne, ist der Schönwetter –Dauercamper sofort auf dem Platz, reinigt seine Blumenbeete und genießt das Wetter.
Außenstehenden berichtet er auch immer, dass er Vollblutcamper sei und die Zeit auf dem Platz genießen würde. Wie Urlaub sei es.
Bei schlechtem Wetter jedoch hat man keine Chance, den Schönwetter- Dauercamper zu Gesicht zu bekommen.

·         Der Platzhocker-Dauercamper:
Dieser Dauercamper scheint zwar der Sucht des Campens erlegen zu sein, jedoch leidet er unter einer „Bloß-nicht-bewegen“ Krankheit oder hat Angst vor Kontakten.
Der Platzhocker-Dauercamper verbringt die gesamte Dauer seines Campingaufenthaltes in seinem eigenen Territorium und verlässt dieses nur, wenn es dringend notwendig ist. Dazu gehört das Einkaufen, Abwaschen oder die Campingtoilette entsorgen. Meist aber schickt es seinen Untertan, auch Partner genannt, um die Aufgaben zu erledigen.
Einen Platzhocker-Dauercamper erkennt man oft auch daran, dass man ihn nie sieht, dafür aber umso deutlicher hört, wenn dieser seine Kommandos schreit.

·         Der Ich-wohne-hier Dauercamper:
Dieser Dauercamper verbringt das komplette Jahr auf dem Campingplatz. Der Wohnwagen ersetzt die Wohnung, die nur dem Alibi der Meldepflicht dient. Sein Vorzelt ähnelt oft einem Flickenteppich. Überall wurde es ausgebessert, um jeder Jahreszeit trotzen zu können. Auch hat der Platz Gegenstände gelagert, die der gemeine Dauercamper niemals sein Eigen nennen würde.
Der Ich-wohne-hier-Dauercamper verhält sich teilweise wie der Platzwart, da er durch seinen ständigen Aufenthalt den gesamten Campingplatz als sein Revier wahrnimmt und markiert.

·         Der Möchtegern Dauercamper:
Dieser Dauercamper hat meist eine kurze Existenzdauer. Völlig euphorisch beginnt diese Rasse mit dem Aufstellen, Aufbauen und dekorieren seines Platzes. Dabei scheut er keine Mühen und Kosten. Er lebt ein fast dekadentes Dasein und findet Befriedigung darin, von seinen Mitcampern bewundert zu werden.
Da der Möchtegern Dauercamper durch sein ausschweifendes Verhalten schnell erkennen muss, dass  es für die nächste Pacht nicht mehr reicht, besteht seine Existenz nur eine geringe Dauer von Campingmonaten. Manche schaffen auch die ein oder andere komplette Saison, jedoch werden diese so schnell wieder vergessen, wie sie gekommen sind.

·         Der Teenie- Dauercamper:
Meist hat diese Art des Dauercampers das schwierigste Los: Ist der Teenie-Dauercamper auf dem Platz aufgewachsen und somit seit Welpenalter dort unterwegs, ist er bekannt wie ein bunter Hund und jeder Camper weiß, bei wem er sich im Falle eines Falles beschweren gehen muss.
Der Teenie-Dauercamper tritt vermehrt in den Schulferien auf. Meist treffen sie sich dann auf Spielplätzen, Seeufern oder, wenn vorhanden, an Aufenthaltsorten extra für Jungtiere.
Mit zunehmendem Alter entdecken sie das andere Geschlecht und aus versteckter Entfernung kann man ihnen dann beim Balzverhalten zusehen.
Da die Teenie-Dauercamper nun auch längere Ausgangszeiten bekommen, ist oftmals die Lautstärke auch über die Nachtruhe hinweg enorm hoch.
Meist hört man da dann das Pöbeln der Alt-Dauercamper.
Die Teenie-Phase dauert pro Wesen nur wenige Jahre. Oftmals verringert sich durch Beenden der Campingsucht auch die Zahl der Teenie-Dauercamper, die ihren Eltern dann in die nächste Leidenschaft folgen müssen.
Nur wenige Teenie-Dauercamper schaffen den Sprung aus ihrer Art in die des ausgewachsenen, gemeinen Dauercampers, indem sie sich ein eigenes Territorium suchen.

·         Der  Urlaubscamper:
Der Urlaubscamper verbringt immer nur sehr kurze Zeit im Territorium. Einige dieser meist putzigen Wesen fallen durch ihre kleinen Zelte, den Gaskochern und ihrem orientierungslosen Wandern über den Platz auf.
Sie sind eher für sich und schließen selten Kontakte zu den gemeinen Dauercampern.
Viele von ihnen sind Wandercamper. So kommt es vor, dass sie selten mehr als einmal den gleichen Platz besuchen.