Mittwoch, 14. Dezember 2011

Adventsgestöber und seine Folgen

Eine kleine Geschichte, gestern erlebt und zu Papier gebracht...





Adventsgestöber und seine Folgen

„Mama, hattest Du das Buch schon angesehen?“
Meine Mutter war mit meinen Kindern beschäftigt und bekam meine Frage nicht mit. Die Kinder tobten um sie herum und freuten sich, dass die Oma den Abend auf sie aufpassen würde.
„Mama?“
„Was?“
„Hattest Du das Buch durchgesehen, das ich Dir gegeben hatte?“
Ja, das ist schön geworden. In dem Altersheim, in dem ich arbeite, lesen die jetzt den Leuten jeden Tag eine Geschichte vor.“
„Kannst den gerne sagen, das gibt’s bei Amazon zu kaufen.“
Ein bisschen Werbung machen würde (schließlich) nicht schaden.
„Warum ich Dich frage: Ich hab mir gedacht, wir backen heute zusammen die Ingwerplätzchen nach.“
„Oh, Ingwer! Der ist gesund. Brauchst Du frischen Ingwer? Ich hab noch eine Knolle in der Tasche.“
Sofort durchwühlte meine Mutter ihre für mich scheinbar bodenlose Tasche. Was sie manchmal aus ihrer Tasche zauberte, ließ mich staunen.
Ich blätterte die Seite mit dem Ingwer-Plätzchen Rezept auf und ging die Zutaten durch.
„Nein, hier steht, es wird gemahlener Ingwer gebraucht.“
Fast enttäuscht steckte sie ihre Ingwerknolle zurück in die Tasche. Aber nur, um kurz danach voller Elan neben mir zu stehen und nach den nächsten Zutaten zu fragen.
„Wir brauchen zweihundert Gramm Mehl, hundertfünfundzwanzig Gramm Fett…“
„Da können wir die Smanta nehmen!“ unterbrach mich meine Mutter und griff sofort nach der Flasche.
Das Mehl wog ich ab und sie kippte nach Gefühl die Smanta dazu.
„Was noch?“
„Hundertfünfundzwanzig Gramm Puderzucker und fünfundsiebzig Gramm dunklen Sirup.“
Schnell hatte ich den Puderzucker gefunden. Die Hälfte der Zweihundertfünfzig Gramm Packung war noch da und ich kippte sie zu den vorigen Zutaten.
„Mist, ich hab hellen, Hamburger Sirup.“
„Kannst Du nehmen, kommt aufs Gleiche an.“
Meine Mutter schaute ins Rezept.
„Wo hast Du Backpulver, Nelken und Zimt?“
„Das Backpulver ist hier, Nelken hab ich nicht und der Zimt steht hier bei den Gewürzen. Musst mal schauen, irgendwo da drin.“
Meine Mutter durchwühlte meinen schmalen Schrank, in dem ich meine Gewürze aufbewahre und hielt neben dem Zimt eine kleine Dose Anis hoch.
„Hier, das können wir anstatt der Nelken nehmen.“
Ich war froh, dass ich sie, eine erfahrene Hauswirtschafterin aus einer Großküche, bei mir hatte. Ohne sie hätte ich nur den Zimt und den Ingwer genommen.
„Hast Du den Ingwer reingetan?“
„Nein, den hab ich hier. Moment, ich muss nochmal schauen, wie viel davon rein muss.“
„Halber Teelöffel, hab ich vorhin schon gelesen.“ Mit den Worten nahm sie mir das Pulver aus der Hand und streute nach Augenmaß.
„Alle Zutaten werden zu einem Teig geknetet, der dann zu Rollen geformt wird…“ las ich vor.
„Ich würde da noch Nüsse mit rein machen. Der Teig ist viel zu fettig.“
„Du hattest das Fett reingegeben.“
„Daran liegt es nicht.“
Sie rollte den Teig, ich schnitt die Scheiben ab und legte sie auf das Backblech.
Der Ofen war bereits vorgeheizt und die erste Ladung kam in die Röhre.
Wieder widmete meine Mutter sich den Kindern und ich räumte die Zutaten zurück in die Schränke.
Der Duft der Plätzchen schwebte durch die Wohnung und erfüllte uns mit Weihnachtsstimmung.
„Na, wie sehen die Plätzchen aus?“ rief sie aus dem Wohnzimmer.
Neugierig bücke ich mich und schaute durch die Scheibe.
„Scheiße!“ stieß ich aus und musste gleich darauf anfangen zu lachen.
„Was ist?“
„Die Kekse sind flüssig geworden. Alles eine Masse.“
Meine Mutter öffnete die Klappe und wich der Dampfwolke aus. Es roch nach Spekulatius.
„Die können wir jetzt raus holen, und wenn sie abgekühlt sind, brechen wir das in kleine Stücke.“
Gesagt, getan.
Mutig probierte meine Mutter als erste. Ich beobachtete sie und wartete ihr Urteil ab. Die Augenbrauen schnellten nach oben.
„Hey, das schmeckt wie Krokant. Spekulatius Krokant!“
Sie nahm sich direkt noch mehr.
„Ich weiß nicht, wie die werden sollen, aber so schmecken sie auch.“
Sie schmeckten wirklich, aber ich überlegte dennoch, welche wichtige Zutat ich vergessen haben könnte.
Meine Mutter knabberte weiterhin den Krokant.
Im Kopf ging ich die Zutaten durch und hakte ab, ob ich sie wirklich in die Schüssel gegeben hatte.
War es zu viel Fett? Zu wenig Mehl? Zu enger Abstand? Zu lange oder zu heiß gebacken? Zu viel hauswirtschaftliche Unterstützung?

Als ich meine Mutter abends zum Bahnhof fuhr, meinte sie gedankenverloren: “Vielleicht lag es doch am Anis“.
Für mich steht fest: Die Plätzchen werden nochmal gebacken. Dann strikt nach Anleitung und mit Waage.
Und ohne Hauswirtschafterin.

Donnerstag, 10. November 2011

Trüffel ersetzen keinen Fahrschein



Trüffel ersetzen keinen Fahrschein
(Oder: Was Du nicht willst, das man Dir tut...)




Berta Meyer schleppte zufrieden ihre Tüten und Taschen aus der U-Bahn. Drei Wochen waren es noch bis Weihnachten, aber sie hatte schon  alle Geschenke zusammen. Eine Menge Schnäppchen hatte sie gemacht und sogar ihre Lieblingstrüffel mit dem Mandelnougat hatte sie günstiger bekommen. Davon hatte sie sich eine extra große Portion gegönnt.
Sie war stolz auf sich, so eine clevere Schnäppchenjägerin zu sein.
Eine ihrer vielen Tüten hatte sie für sich gekauft. Mit Leckereien gefüllt: Trüffel diverser Art, Hühnerpasteten, Wildschweinbraten, Burgunderschinken und Pralinen von ihrem Lieblingsgeschäft. Sie würde es sich mit den Sachen zuhause gemütlich machen und genießen.
Eine andere Tüte war gefüllt mit Lego für ihren Enkel, eine mit Barbies für die Enkelin und DVDs für den Sohn.
Ihre Schwiegertochter bekam einen Umschlag für Wellness. Davon hielt Berta nichts. Wellness kann man sich auch Zuhause mit leckerem Essen, einem guten Wein und schöner Musik machen. So, wie sie das regelmäßig tat.
Außerdem war dieser kleine Umschlag im Vergleich zu den vielen Geschenken ihrer Meinung nach zu mickrig. Ob sie ihn in einen großen Karton legen, mit Papier umwickeln und eine Schleife drum binden sollte?
Sie schmunzelte, denn sie wusste, dass ihre Schwiegertochter einen Aufstand machen würde, wenn sie damit ankommt. Schließlich wollte sie gar nichts zu Weihnachten haben und wenn, dann lieber einen Wellness Gutschein. Sie hatte ihr ausdrücklich verboten, wieder mit solch pompösen Geschenken zu kommen.
Am schwersten war die Tüte mit den Nüssen und Orangen, den Lebkuchen und Marzipan, den Schokoweihnachtsmännern und Spekulatius.
Als Berta an die Rolltreppen kam, traf sie fast der Schlag. Sie war schon in heller Vorfreude, einen Moment verschnaufen zu können, doch dies zerplatzte gerade wie eine Seifenblase: Die Rolltreppen waren alle wegen eines Defekts außer Betrieb. Schwer bepackt mit ihren Sachen stand sie in der Schlange der Menschenmassen, um die Treppe zu nehmen.
Sie merkte, wie sie zu schwitzen begann und hätte jetzt alles dafür gegeben, eine dünnere Jacke zu tragen, anstatt des dicken Pelzmantels.
Naja, alles, nur ihre geliebten Trüffel nicht.
Langsam bewegte sich die Menge die Stufen hinauf. Berta wurde ungeduldig. Was war das denn für ein Service. Und das noch in der Weihnachtszeit!
Durch die Glasfront der U-Bahn Station sah sie die Lichter der Straßenlaternen leuchten. Trotz des Nachmittags war es draußen dunkel.
Die Halogenstrahler an der Decke tauchten die große Halle in künstliches Licht. Sie verließ die Stufen und ging erschöpft zur Bank an den Fenstern.
Mit einem Schnauben hievte sie ihre Sachen auf die Bank, setzte sich dazwischen und suchte in ihrer Tasche nach einem Tuch.
Während sie zu Atem kam, tupfte sie sich die Stirn vom Schweiß ab.
Die Halle leerte sich kaum und Berta fragte sich, was draußen vor dem Eingang los sein konnte.
Sie schloss sich wieder dem Strom an und hoffte, bald zuhause zu sein. Die Vorfreude auf ihre mitgebrachten Leckereien ließ sie die Strapazen ein wenig mildern.
Endlich wurde die Menschenmenge weniger.
Mit einem Seufzer der Erleichterung, wurde ihr Griff um die Tüten fester und sie ging entschlossen in Richtung Ausgang.
„Halt! Ihren Fahrschein bitte, Frau Meyer!“
Erschrocken stoppte sie und sah dem Mann ins Gesicht, der sich ihr in den Weg gestellt hatte.
Es war ihr Nachbar, Herr Clausen, der bei der Hochbahn arbeitete.
Mist, ausgerechnet ihm musste sie jetzt begegnen.
Gerade gestern hatte sie seine Kinder von ihrem Grundstück auf dem Hinterhof des Wohnhauses gescheucht, weil sie von dort den Schnee für ihren Schneemann holen wollten.
Dabei hatten sie ihr ganzes Blumenbeet zertrampelt, Zweige ihrer kleinen Buchsbäumchen abgeknickt und den Gartenzwerg umgestoßen. Und laut waren sie dabei auch gewesen.
„Böse dicke Tante Berta!“,  hatten sie die Kinder genannt und sie wurde zorniger. Rotzgören hatte sie hinter ihnen her geschrien.
Mit einem Besen war sie auf die Kinder losgegangen und fuchtelte damit wild in der Luft herum. Sie sollten ruhig Angst bekommen, denn dann würden sie sie in Ruhe lassen.
Die Kinder hatten ihrem Vater bestimmt davon erzählt und jetzt stand sie hier vor ihm.
„Äh, wie bitte?“
„Fahrkartenkontrolle, ihren Fahrausweis bitte.“ Herr Clausen blieb höflich.
Völlig perplex stellte Berta ihre Tüten ab und öffnete ihre Handtasche.
Sie zog ihre CC-Karte heraus und reichte sie ihm.
„Es tut mir leid, aber mit dieser Monatskarte dürfen Sie zwischen sechzehn und achtzehn Uhr nicht fahren.“
Sie wollte lospoltern, was ihm eigentlich einfiele, ihr zu unterstellen, sie würde schwarzfahren. Doch dann blickte sie auf die Uhr und sah, dass es bereits fünf nach vier war.
„Aber…“ sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Schamesröte stieg ihr ins Gesicht. Sie fing erneut an zu schwitzen.
„Aber ich drücke nochmal ein Auge zu. Schließlich können sie in ihrem Alter mit so vielen Tüten und dem dicken Mantel nicht mehr so schnell die Treppen laufen. Unter Nachbarn sollte man sich schließlich helfen.“ Er zwinkerte ihr überlegen zu und gab ihr den Fahrschein zurück.
„Danke“, bekam sie zwischen den zusammen gedrückten Zähnen heraus. Sie war über seine Beleidigung zutiefst verärgert, sagte aber nichts, weil sie wusste, dass er in seiner Position am längeren Hebel saß. Sie nahm den Fahrschein und  unter seinem Lächeln ging sie zügig mit ihren Tüten hinaus.

Freitag, 21. Oktober 2011

Eine kleine Übung zwischendurch...



4.2.: Lebensgeschichte erzählen (von einer ausgedachten Figur):
Mein Name ist Bernhard Wiesemann, ich bin Restaurant Tester.
Wie ich zu dem Beruf gekommen bin? Nun ja, meine Mutter hatte ne kleine Imbissbude. Dort war sie tagein, tagaus. Und ich musste mit.
Bratenfett, Kaffeeflecken, das Brutzeln des Fleisches und das Blubbern des Kochwassers. Alles meine täglichen Begleiter.
Ich war nicht groß und das viele gute Essen meiner Mutter machte aus mir das, was ich jetzt bin.  
So ging es jahrelang und je älter ich wurde, desto mehr wurde ich mit einbezogen.
Meist  für den Abwasch und die Putzarbeiten aber auch, um neue Speisen zu probieren, die meine Mutter für die Speisekarte und Wochenangebote ausprobierte.
Als meine Mutter starb, stand ich da: Mit einer Imbissbude und ohne Ausbildung.
Ich kannte nichts anderes, als Essen, Kochen und Abwaschen. Deshalb lernte ich Koch.
Schnell merkte ich, dass es noch mehr gab, als die paar Gerichte aus der Bude. Dass man mehr aus Kartoffeln machen konnte, als Pommes und Bratkartoffeln.
Mein Ehrgeiz war geweckt und ich bildete mich weiter. Lernte und lernte, kochte und kochte.
Mein Name wurde bekannt, aber nachdem ich mir bei einem Unfall meine Hand verletzte, war‘s vorbei mit Kochen.
Ich dachte, das war‘s. Bis ein befreundeter Koch mir anbot, in seinen Restaurantketten als Testesser zu arbeiten. Tja, so hatte es begonnen.
Ich brauche mir um Essen keine Sorgen mehr zu machen.
Alles, was ich machen muss, ist essen, ein paar Notizen  zu machen, eine anschließende Kritik verfassen und hoffen, dass mein Körper mir manch kulinarische Entgleisung verzeiht.
Mittlerweile bin ich ein ungern gesehener Gast, vor dem die Leute Angst bekommen.
Sie wissen: Wenn das Essen nicht schmeckt, kann ich ungemütlich werden.

4.3.: Eine Figur einfügen:
Ein Restaurant, mitten in Hamburg. Die großen Scheiben der Fenster glänzen frisch geputzt in der Sonne.  Die Gäste auf der gut gefüllten Terrasse sitzen unter großen, roten Sonnenschirmen an ihren Plätzen. Hier und da sieht man die Kellner wie emsige Bienchen umher laufen. Sie bringen Getränke an die mit weißen Tischdecken geschmückten Tische, nehmen Bestellungen auf und lächeln nonstop, sichtlich bemüht, auf einen Gast besonderen Eindruck zu machen.
Herr Wiesemann, den Restauranttester.
Obwohl dieser mit seiner kleinen, pummeligen Figur kaum jemandem furchterregend auffallen würde, spürt man, wie jeder Kellner vor Angst erzittert.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Anders und doch gleich



Anders und doch gleich


Während ich das schöne Wetter nutze und die Hecke zu den Nachbarn schneide, schweift mein Blick hinüber in deren Garten.
Komisch, Herr und Frau Boisenberg sind nicht draußen.

Es ist bei ihnen Ritual: Sobald die Sonne scheint, liegen sie auf ihren Liegen. Dicht aneinander gestellt sind diese. Die Armlehnen stehen so eng zusammen, dass sich ihre Arme aneinander kuscheln und ihre Hände mühelos ineinander verschlungen sind.
So liegen sie da, erzählen sich Geschichten, seufzen zufrieden oder schlafen im Sonnenschein. Immer nebeneinander, den ganzen Tag.
Ich habe nie gesehen, dass die Liegen anders standen.
„Das gibt unschöne Stellen im Rasen,“ hatte mir Herr Boisenberg mal erzählt.
Er hatte zuvor mit Mühe die Beine zurück auf die gelben Druckstellen geschoben, nachdem er die Wiese gemäht hatte.

Mir war es eigentlich egal. Mein Mann und ich amüsierten uns über die beiden.
Nie verlief deren Tag anders. Immer nach dem gleichen Muster.
Aber heute? Heute war keiner zu sehen. Das Haus wirkte wie verlassen.
Ob sie verreist waren? Nein, die Boisenbergs verreisten nie. Das hatte sie mir gerade erst letzte Woche erzählt, als wir uns mit Frau Müller unterhielten.
Ich schnitt die Hecke weiter und tadelte mich, mir nicht so viel Gedanken um andere zu machen.
Die nächsten Tage und Wochen blieb das Wetter sonnig. Die Gartenarbeit verlangte viel ab und täglich schaute ich in den Garten der Boisenbergs hinüber. Keiner der beiden war zu sehen.
Das Gras war hoch gewachsen und die Holzliegen verdreckt mit Vogelkot.
Herr Boisenberg hätte es verhindert, dass sein Garten so aussah.
Ich begann doch, mir Sorgen zu machen und machte mich auf den Weg zum Garten von Frau Müller.
Sie war fleißig bei der Gartenarbeit und als ihre alten Augen mich erblickten, lächelte sie und stand schwerfällig auf.
Kurze Zeit später saßen wir mit einem Pott Kaffee auf der Bank, ließen uns von den Sonnenstrahlen liebkosen, vom Wind streicheln und lauschten den kreischenden Möwen.
Ich hatte nach den Boisenbergs gefragt und sie erzählte ohne Pause.
„Die arme Erna, sie tut mir so leid“, sagte sie, nachdem sie berichtete, dass Herr Boisenberg einen Schlaganfall hatte.
„Sie will ihren Erwin nicht einen Moment alleine lassen. Sie teilt sich mit ihm das Zimmer und hat für die Reha ein Zimmer gemietet.“
Frau Müller nahm einen Schluck Kaffee und hielt die Hand zum Schutz gegen die Sonne an ihre Stirn, als sie mich ansah.
Wie ihr Sohn mir erzählte, wird er nie wieder laufen können. Und ob er wieder sprechen wird, steht in den Sternen. Sie haben einen Pflegedienst beauftragen müssen. Wissen sie, er hat Pflegestufe zwei und Erna ist nicht mehr die jüngste. Vielleicht braucht er sogar Pflegestufe drei.“
Ich hatte Mitleid. Herr Boisenberg war ein kräftiger, dominanter Mann. Er strotzte vor Kraft, machte alles in Haus und Garten und hatte nie Hilfe gebraucht. Frau Boisenberg erzählte immer voller Stolz von ihrem
Mann, der während seiner Zeit als Polizist für Ruhe und Ordnung sorgte. Jetzt schien es, als würde er nichts mehr alleine können.
Nach meinem Besuch bei Frau Müller und meinem Versprechen, auf den Garten der Nachbarn zu achten, setzte ich die Arbeit bei mir fort.
Ich nutzte die kommenden Tage und Wochen, mich um das Grundstück der Nachbarn zu kümmern, damit sie es bei Rückkehr so vorfanden, wie sie es verlassen hatten.
Eines Morgens hörte ich von nebenan den Rasenmäher. Ich schaute aus dem Küchenfenster und sah Michael, den Sohn der  Boisenbergs, wie er den Rasen mähte. Er stellte eine Liege akkurat zurück an ihren Platz und trug die andere fort. Kurz darauf kam er mit Herrn und Frau Boisenberg zurück in den Garten.
Erna Boisenberg hatte enorm abgenommen. Ihre Haare waren stark ergraut.
Trotzdem lächelte sie glücklich und ließ die Hand ihres Mannes nicht los, während sie neben seinem Rollstuhl ging.
Erwin Boisenberg sah erschreckend aus: Aus dem kräftigen, großen Polizisten war ein in sich zusammen gesunkener, dünner Mann geworden, dessen rechte Gesichtshälfte einer Fratze ähnelte. Sein Auge war weit aufgerissen, sein Mundwinkel hing nach unten und sein rechter Arm ruhte auf seinem Schoß. Die Hand wirkte verkrampft.
Michael schob den Rollstuhl dicht an die Liege, die Armlehnen berührten sich und während sich Frau Boisenberg auf das Polster niederließ, hielt sie die Hand ihres Mannes fest umschlungen.
Sie sahen sich an, lächelten und genossen wieder gemeinsam Tag für Tag die Sonnenstrahlen.

Freitag, 2. September 2011

GR 12: Unruhe in blutiger Nacht

 Es ist vollbracht! 
Ich habe die 12. Prüfungsarbeit zurück bekommen und damit das erste Jahr, das Grundschuljahr hinter mir.
Viel Spaß beim Lesen der Arbeit und des Kapitels eines meiner aktuellen Projekte...




Unruhe in blutiger Nacht

Sorin Dracul saß in seinem Büro vom „Blood Night“. Die Bässe aus der Diskothek drangen durch die Wände zu ihm und erinnerten ihn daran, dass unter ihm hunderte von Menschen ihre verschwitzten Körper zu Technobeats bewegten. Er rieb sich die Schläfen. Starke Kopfschmerzen plagten ihn.
Von der Musik? Schlafmangel? Er hoffte auf Letzteres und blickte hinunter auf seinen Schreibtisch. Bewerbungen neuer Tänzerinnen lagen darauf und die Mädchen lachten ihn in obszöner Kleidung und Posen von den Fotos entgegen.
Wenn er alle drei nahm? Stangen hatte er genug im Club und Umsatz machte er reichlich. Wozu sich jetzt den Kopf zerbrechen?
Er griff zur Aspirin Schachtel, nahm eine Tablette aus der Folie und spülte sie mit einem kräftigen Schluck Cola hinunter.
Noch eine Stunde, dann würde hier Feierabend sein und er könnte nach Hause.
Seinen Job als Nachtclubbesitzer liebte und hasste er gleichermaßen. Lieben, weil er sich nie Sorgen um Frauen machen musste. Es war für ihn leicht, hübsche Frauen aufzureißen. Hatte er Lust auf ein Abenteuer, brauchte er nur durch die Menschenmassen auf die Tanzfläche schlendern, die Touristinnen auf einen Drink einladen und sie nach kurzer Zeit mit in sein Büro abschleppen. Das große Bett in der Ecke seines Büros hatte ihm schon öfters gute Dienste geleistet.
Er ging ins Bad und sah sich im Spiegel an. Sogar heute, mit den Kopfschmerzen, könnte er leicht jemanden abschleppen. Sein dichtes schwarzes Haar ging ihm bis zu den Schultern. Einige Strähnen hatten sich aus seinem locker gebundenen Zopf gelöst und hingen ihm in Wellen bis vor die Augen.
Unter seinen dunklen Augenbrauen befanden sich ebenso dunkle Augen. Heute wurden sie jedoch von einem „Schatten“ untermalt.
Definitiv Schlafmangel, dachte er.
Seine Nase war schmal und verlief breiter und spitz zum Mund, der mit einem dünnen Bart umrahmt war.
Mit viel Fantasie hätte man Ähnlichkeit zu seinem Vorfahre, Vlad Dracul erkennen können. Vlad Tepes, der Pfähler. Der Ur-Vampir.
Er war froh, dass die Menschen die Vergleiche mit aktuelleren Leuten machten.
Oft wurde er mit Orlando Bloom verglichen. Ähnlichkeit hatte er. Mit der Ausnahme, dass er größer war und mehr Muskeln hatte.
Er strich sich mit der Hand über sein markantes Kinn und lächelte zufrieden sein Spiegelbild an.
Lieber mit Orlando, als mit Vlad. Zu tief saßen seine Erinnerungen an die vielen Geschichten seiner Oma.
Viele Untertanen verehrten Vlad für sein unerbittliches Beharren auf Recht, Ehrlichkeit und Ordnung. Er war als großzügiger Förderer von Kirchen und Klöstern bekannt. Jedoch überwogen die Foltermethoden und vielen Hinrichtungen von hunderten von Menschen, so dass später jemand gesucht wurde, der nachträglich verantwortlich gemacht werden konnte.
Sorins Vorfahren, Nachfahren Vlad Dracul dem III., mussten unter falschem Namen durch das Land ziehen. Mit der Angst, erkannt zu werden.
Erfuhr man, wer sie waren, waren sie schuld an verschiedenen Missständen und Schicksalsschlägen. Die Katze wurde tot gefunden, sofort waren es die „Diavolul“*. Der Mann verunglückte auf dem Feld oder nach einer Sauftour, wieder waren die „Diavolul“ schuld.
Sorins Funkgerät knackte und holte ihn in die Realität zurück.
„Boss, es gibt Probleme in Raum 3!“
„Bekommt Ihr das alleine hin?“
„Besser, sie kommen.“ Mihai klang gestresst.
„Pista mâsi!“ Fluchend klemmte sich Sorin das Funkgerät in die Hosentasche und verlies sein Büro.
Die zwei Typen, die seine Tür bewachten, machten Anstalten, ihm zu folgen.
„Dumitru kommt mit, Du bleibst hier!“ befahl er ihnen.
Während er die Treppe hinunter ging, wurden die Bässe lauter. Unter seinen Füssen schien der Boden zu vibrieren und die Luft verdichtete sich mehr und mehr in ein Gemisch aus Schweiß und Testosteron.
Am Ende der Stufen saßen Frauen, die sofort zur Seite wichen, als sie Sorin und seinen Begleiter erblickten. Zwei muskelbepackte Männer in schwarzem Poloshirt und schwarzer Lederhose sahen Respekt einflößender aus, als ein Hänfling in Khakihosen und Karoshirt.
Sie bahnten sich den Weg quer über die Tanzfläche, vorbei an die mit Ledersofas bestückten Sitzecken und gingen durch einen schmalen Gang. Die Musik wechselte von dröhnendem Technobeat in hämmernden Metal Sound.
Dieser Raum war kleiner, als der vorige, jedoch genauso ausgestattet.
Mit einer Handbewegung wies er Dumitru auf, weiter zu gehen.
„Raum drei!“ rief er ihm durch die Lautstärke zu.
Ein kurzes Nicken und Dumitru überholte ihn auf dem Weg.
Sie gingen mit schweren Schritten den Weg zu den Toiletten und den Séparées entlang, bogen rechts ab und kamen in einen rosa beleuchten Raum.
Die Musik lief noch, war aber leiser gedreht und der Saal so gut wie leer.
Eine seiner Tänzerinnen saß an der Seite. Ihre Schminke war zerlaufen und hinterließ schwarze Streifen auf ihren Wangen. Sie wurde von ihren Kolleginnen versorgt. Eine hielt ihr ein Tuch an die Schläfe, die andere streichelte ihr über das lange Haar.
Der große Spiegel hinter ihnen war zerschlagen und die Stühle lagen wild zerstreut im Raum. Sofort kam Mihai an Sorins Seite.
„Was ist passiert?“
„Ein Tourist, er wollte Ileana an die Wäsche. Als sie ihn zurückwies, hat er sie gegen den Spiegel geschubst. Wir konnten gerade noch dazwischen, um Schlimmeres zu verhindern.“
„Wo ist er jetzt?“ Er suchte den Raum ab und entdeckte Toma und Petre, wie sie einen wild um sich schlagenden Typen im Klammergriff hatten.
„Er hat verdammt viel Kraft und ist voll bis oben hin,“ informierte ihn Mihai.
„Wartet kurz.“
Sorin ging zu Ileana und streichelte ihr über die Wange.
„Brauchst Du einen Arzt?“
„Ist schon okay. Wenn’s nicht besser wird, geh ich morgen zum Arzt.“
„Okay, mach Feierabend für heute. Cornelia, bring sie in die Garderobe.“
Während er sich dem Touristen zuwandte, blickte er zum Eingang des Raumes. Neugierige hatten sich versammelt und schauten interessiert zum Geschehen.
Vielleicht ergäbe sich ja DIE Geschichte zum Weitertratschen.
„Mihai!“ mit einer Kopfbewegung zeigte er in Richtung Eingang und sofort wurde dieser von Mihai versperrt und die Schaulustigen vertrieben.
Betrunkene Gaffer konnte er jetzt nicht gebrauchen.
Als der Tourist ihn näher kommen sah, wurde er aggressiver.
„Bist Du der Chef von diesem Scheißladen? Sag Deiner Hure, dass sie mir noch einen Fick schuldig ist!“
„Hey, hey, schön freundlich bleiben!“ Toma verdrehte ihm den Arm weiter auf den Rücken.
„Hier wird ordentlich gesprochen, hast Du verstanden?“
Sorin näherte sich dem Mann und sprach deutlich zu ihm.
„Meine Damen sind Tänzerinnen, keine Huren. Wenn Du einen Fick willst, musst Du woanders hingehen!“
„Ach leck mich, Du Arschloch!“ Der Mann spuckte ihm vor die Füße.
Ehe er sich versah, hatte er Sorins kräftige Hand an seiner Kehle sitzen.
Sein eben noch zorniges Gesicht verwandelte sich in Überraschung und er fing an zu röcheln.
„Ich sage es gerne noch einmal, mein Freund: Wenn Du einen Fick willst, stehen meine Tänzerinnen NICHT zur Verfügung. Und jetzt schlage ich vor, rufen wir die Polizei und lassen Dich abholen!“
Er ließ ihn los und der Mann sackte hustend zu Boden.
„Ich weiß, wer Du bist, Du Vampirmonster!“ keuchte er.
Sorin erstarrte kurz, bemühte sich aber, keinerlei Gefühlsregung nach außen zu zeigen.
„Toma, Hausverbot für unseren Gast.“ Toma nickte stumm.
Dann zückte er sein Handy, um vorzutäuschen, bei der Polizei anzurufen.
„Nein, bitte keine Polizei!“
Sorin hielt inne, woher kam die Stimme?
Aus einer Ecke des Raums kam eine Frau angelaufen und stellte sich vor den am Boden hockenden Mann.
„Bitte rufen sie keine Polizei. Er hat es nicht so gemeint.“
Sorin sah sie kurz an und machte eine ausladende Bewegung.
„Und den ganzen Schaden hier? Meine verletzte Tänzerin?“
„Er hat es nicht so gemeint, wirklich. Es ist nur... der viele Alkohol war schuld. Er ist immer sehr freundlich und benimmt sich. Er verträgt den Alkohol nicht.“
Sorin sah sie an. Sie war klein, hatte blonde lockige Haare, die bis unter die Schultern gingen und kleine Sommersprossen auf ihrer Nase.
Ihre Nase war spitz und ragte frech nach oben. Am liebsten hätte er ihr auf die Stupsnase gedrückt und mit ihr wie ein kleines Mädchen gesprochen.
Doch ihre Entschlossenheit, ihre vollen Lippen, die leicht bebten und ihr fester Stand ihm gegenüber hielten ihn davon ab.
Sie wusste, was sie wollte. Und das reizte ihn.
Er lächelte leicht.
„Und wenn ich Ihren Mann nicht gehen lasse, sondern die Polizei rufe und ihn verhaften lasse?“
„Kollege, “ sagte sie hastig, „er ist mein Kollege. Und wenn sie ihn verhaften lassen, wird unser Chef nicht nur ihn, sondern auch mich feuern.“
Sie sah ihn flehend an.
„Bitte.“
Sorin blieb wenig Zeit, zu überlegen. Draußen hörte er die Sirenen der Polizei.
Mist, einer der Schaulustigen musste die Polizei informiert haben.
„Toma, nimm die beiden und geh mit ihnen durch den Hinterausgang!“
„Vielen, vielen Dank! Wir sind Ihnen was schuldig.“
„Auf Wiedersehen!“ sagte er.
Sie hielt kurz an und lächelte.
„Bestimmt schneller, als sie denken.“
Dann wurde sie von Toma nach draußen gezogen.

*Diavolul = Teufel

Donnerstag, 1. September 2011

"Adventsgestöber" erhältlich!!!!


Werbung in eigener Sache :)
Das erste Buch, an dem ich ebenfalls einen Beitrag beigesteuert habe, erscheint am 1.10.2011 !!!!!!!!! :)
Wer ein Exemplar haben möchte, kann es hier schon vorbestellen:

Adventsgestöber

Dienstag, 26. Juli 2011

Lügen mit Herz





Lügen mit Herz


Es war doch zum Mäuse melken!
Da hatten wir Sommer und dennoch konnte man nicht ohne Regenschirm und Jacke aus dem Haus. Die Temperaturen waren auf sechzehn Grad gesunken und draußen stürmte es, als wäre der Herbst eingekehrt. Alles Meckern half nichts: Ich musste mit dem Hund raus in das Sauwetter.
„Bring mir bitte Zigaretten mit!“ rief mein Mann mir noch hinterher.
Ich stapfte mit meinen Gummistiefeln durch die Pfützen, den Jackenkragen hochgekrempelt und die Kapuze fest zusammen gebunden. Kaum jemand war auf den Straßen und so war es mir auch egal, ob ich mit meinen blauen Gummistiefeln, der grauen Jogginghose und meinem Friesennerz auffallen würde. Hauptsache, ich würde trocken bleiben.
Meinem Hund schien das alles nichts auszumachen. Er rannte von einem Busch zum anderen, hob sein Bein und lief weiter. Ab und zu blieb er stehen und sah sich nach mir um.
Schwanzwedelnd machte er an der Telefonzelle halt. Mit ihrem Gelb war sie der einzige Farbtupfer in dem tristen Grau des Tages.
Jemand stand in der Zelle. Um sich vor dem Regen zu schützen, dachte ich. Als ich hinein schaute, sah ich Maik, meinen Nachbarn. Er war in einem Gespräch vertieft. Dabei schaute er nach draußen und lächelte gedankenversunken. Ob er mit seiner Ex-Freundin telefonierte, von der er sich grad erst getrennt hatte? Aber wieso dann aus einer Telefonzelle?
Als sich unsere Blicke trafen und ich meine Hand zum Gruß hob, deutete er mir, zu warten. Ich stellte mich nah an die Zelle, um nicht nass zu werden. Er sah mich fragend an und ich wies mit dem Finger nach oben daraufhin, dass es immer noch regnete.
"Ja, jeden Tag über 30 Grad. Und der Himmel, strahlend blau von morgens bis abends.“
Verwundert sah ich gen Himmel, dann zu ihm durch die Scheibe. Er zuckte nur die Schultern und lächelte.
„Palmen? Ja natürlich sind hier Palmen. Weißt Du doch. Sogar hier vor der Zelle, Dattelpalmen, nehme ich an. Ich stehe hier an dem Türmchen, direkt an der Kreuzung, an der auch Burger King ist.“
Türmchen? Burger King? Dattelpalmen? Der hatte doch nen Vogel! Das einzige, das neben der Telefonzelle stand, war ich und zwar bald triefend nass. Ich hüpfte vor ihm hin und her, tippte mit dem Zeigefinger auf mein Handgelenk und machte ihm klar, dass er sich beeilen sollte.
„Nen Sonnenbrand hab ich. Du kennst mich doch, ich hab wieder viel zu lange in der Sonne gelegen.“ Er lachte.
„Ist meine Karte schon angekommen? Nein? Komisch, ich hab die gleich am ersten Tag abgeschickt. Pedro persönlich hat sie entgegen genommen.“
Meine Ungeduld wuchs und ich fing an, meinen Hund anzuleinen, der brav neben mir lag und mich nun erwartungsvoll ansah. Langsam machte ich einen Schritt von der Telefonzelle weg.
„So Omi, ich muss Schluss machen, es steht jemand vor der Zelle. Ja, ich hab dich auch lieb, bis morgen!“
Kaum hatte er aufgelegt, wich sein fröhlicher Gesichtsausdruck und wurde durch Trauer ersetzt.
„Na du Urlauber, wo ist er denn, dein Sonnenbrand?“ foppte ich ihn, als er die Telefonzelle verlassen hatte.
„Das war meine Oma, die soll glauben, dass ich auf Mallorca bin.“
„Wieso das?“
„Sie hat nicht mehr lange. Ist jetzt im Hospiz. Sie hat mir all ihr Geld gegeben, damit ich nochmal unsere Mallorca Reise mache. Da, wo wir jedes Jahr zusammen hingeflogen sind.“
Ich bekam einen Kloß im Hals. Seine Oma kannte ich sehr gut. Eine herzensgute Frau. Nun bekam ich ein schlechtes Gewissen, da ich ihm nicht mehr Zeit zum Telefonieren gelassen hatte.
„Oh, das tut mir leid. Aber wieso bist Du dann nicht auch geflogen?“
„Weil ich das Geld für ihre Wohnungsauflösung gebraucht habe. Und wenn sie nicht mehr ist… Die Beerdigung kostet ja auch Geld.“
Zusammen gingen wir über die Straße zur Tankstelle.
„Es war ihr letzter Wunsch, dass ich diese Reise mache und ihr täglich davon berichte, so dass sie das Gefühl hat, sie sei selbst dort. Morgen erzähle ihr von unserem Stammrestaurant und lasse sie grüßen.“
Auf seinem Gesicht spiegelte sich Liebe für seine Oma wider. Aber auch Traurigkeit war in seinen Augen zu sehen. Tröstend legte ich ihm die Hand auf die Schulter.
„Ich finde toll, dass du das für deine Oma machst. Das macht sie bestimmt sehr glücklich.“
Er nickte lächelnd.
„Tja, so bin ich halt, ne? Also, ich muss. Schön dich getroffen zu haben. Wir hören uns.“
Ich blickte ihm noch hinterher, wie er in sein Auto stieg und durch den Regen davon fuhr. Dann besorgte ich die Zigaretten und sah zu, dass ich schnell wieder nach Hause kam.

Zwei Tage später bekam ich eine SMS von Maik:
Sie ist nun auf ihrer Insel, schrieb er und ich verstand.

Freitag, 1. Juli 2011

Der gemeine Dauercamper - Artenunterscheidung Teil 1





Der gemeine Dauercamper:
Im Revier des gemeinen Dauercampers kommt man als Beobachter nur zurecht, wenn man die verschiedenen Rassen unterscheiden kann. Diese kann man am besten während der Campingsaison, von März bis Oktober, in ihrer vertrauten Umgebung sehen.

Der gemeine Dauercamper ist die Hauptrasse. Er verbringt während der Saison jede freie Zeit in seinem Territorium und in der Umgebung. Alleinstehende Dauercamper versuchen sich bei Feierlichkeiten mit ihrem Balzverhalten. Einige scheitern jedoch kläglich aufgrund ihres Rufes/Ihrer Art.
Es gibt folgende Arten, unter denen der gemeine Dauercamper sich unterscheidet. Hier der erste Teil.

Die Rassen:

·         Der Schönwetter-Dauercamper:
Dieser Dauercamper hat seinen Wohnwagen für die komplette Saison auf dem Platz stehen. Jedoch meidet er tunlichst das schlechte Wetter. Experten meinen, der Schönwetter-Dauercamper bestehe aus Zucker. Zumindest verhält sich diese Rasse so.
Scheint die Sonne, ist der Schönwetter –Dauercamper sofort auf dem Platz, reinigt seine Blumenbeete und genießt das Wetter.
Außenstehenden berichtet er auch immer, dass er Vollblutcamper sei und die Zeit auf dem Platz genießen würde. Wie Urlaub sei es.
Bei schlechtem Wetter jedoch hat man keine Chance, den Schönwetter- Dauercamper zu Gesicht zu bekommen.

·         Der Platzhocker-Dauercamper:
Dieser Dauercamper scheint zwar der Sucht des Campens erlegen zu sein, jedoch leidet er unter einer „Bloß-nicht-bewegen“ Krankheit oder hat Angst vor Kontakten.
Der Platzhocker-Dauercamper verbringt die gesamte Dauer seines Campingaufenthaltes in seinem eigenen Territorium und verlässt dieses nur, wenn es dringend notwendig ist. Dazu gehört das Einkaufen, Abwaschen oder die Campingtoilette entsorgen. Meist aber schickt es seinen Untertan, auch Partner genannt, um die Aufgaben zu erledigen.
Einen Platzhocker-Dauercamper erkennt man oft auch daran, dass man ihn nie sieht, dafür aber umso deutlicher hört, wenn dieser seine Kommandos schreit.

·         Der Ich-wohne-hier Dauercamper:
Dieser Dauercamper verbringt das komplette Jahr auf dem Campingplatz. Der Wohnwagen ersetzt die Wohnung, die nur dem Alibi der Meldepflicht dient. Sein Vorzelt ähnelt oft einem Flickenteppich. Überall wurde es ausgebessert, um jeder Jahreszeit trotzen zu können. Auch hat der Platz Gegenstände gelagert, die der gemeine Dauercamper niemals sein Eigen nennen würde.
Der Ich-wohne-hier-Dauercamper verhält sich teilweise wie der Platzwart, da er durch seinen ständigen Aufenthalt den gesamten Campingplatz als sein Revier wahrnimmt und markiert.

·         Der Möchtegern Dauercamper:
Dieser Dauercamper hat meist eine kurze Existenzdauer. Völlig euphorisch beginnt diese Rasse mit dem Aufstellen, Aufbauen und dekorieren seines Platzes. Dabei scheut er keine Mühen und Kosten. Er lebt ein fast dekadentes Dasein und findet Befriedigung darin, von seinen Mitcampern bewundert zu werden.
Da der Möchtegern Dauercamper durch sein ausschweifendes Verhalten schnell erkennen muss, dass  es für die nächste Pacht nicht mehr reicht, besteht seine Existenz nur eine geringe Dauer von Campingmonaten. Manche schaffen auch die ein oder andere komplette Saison, jedoch werden diese so schnell wieder vergessen, wie sie gekommen sind.

·         Der Teenie- Dauercamper:
Meist hat diese Art des Dauercampers das schwierigste Los: Ist der Teenie-Dauercamper auf dem Platz aufgewachsen und somit seit Welpenalter dort unterwegs, ist er bekannt wie ein bunter Hund und jeder Camper weiß, bei wem er sich im Falle eines Falles beschweren gehen muss.
Der Teenie-Dauercamper tritt vermehrt in den Schulferien auf. Meist treffen sie sich dann auf Spielplätzen, Seeufern oder, wenn vorhanden, an Aufenthaltsorten extra für Jungtiere.
Mit zunehmendem Alter entdecken sie das andere Geschlecht und aus versteckter Entfernung kann man ihnen dann beim Balzverhalten zusehen.
Da die Teenie-Dauercamper nun auch längere Ausgangszeiten bekommen, ist oftmals die Lautstärke auch über die Nachtruhe hinweg enorm hoch.
Meist hört man da dann das Pöbeln der Alt-Dauercamper.
Die Teenie-Phase dauert pro Wesen nur wenige Jahre. Oftmals verringert sich durch Beenden der Campingsucht auch die Zahl der Teenie-Dauercamper, die ihren Eltern dann in die nächste Leidenschaft folgen müssen.
Nur wenige Teenie-Dauercamper schaffen den Sprung aus ihrer Art in die des ausgewachsenen, gemeinen Dauercampers, indem sie sich ein eigenes Territorium suchen.

·         Der  Urlaubscamper:
Der Urlaubscamper verbringt immer nur sehr kurze Zeit im Territorium. Einige dieser meist putzigen Wesen fallen durch ihre kleinen Zelte, den Gaskochern und ihrem orientierungslosen Wandern über den Platz auf.
Sie sind eher für sich und schließen selten Kontakte zu den gemeinen Dauercampern.
Viele von ihnen sind Wandercamper. So kommt es vor, dass sie selten mehr als einmal den gleichen Platz besuchen.

Freitag, 6. Mai 2011

8. Einsendeaufgabe: Leg Dich nicht mit Frauen an


Leg Dich nicht mit Frauen an

Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen Schlusslichter rasch kleiner wurden.

Nun ist sie weg! Zeit der Spielchen vorbei, dachte er. Er nahm den letzten Zug der Zigarette und schnippte sie  auf die Gleise.
Die vier Wochen mit ihr waren schön gewesen. Schön in seinem Interesse. Er hatte gezielt nach ihr, einer hübschen Touristin Ausschau gehalten. Sie  beobachtet, ob sie einen Mann oder einen Freund hatte, oder mit Freunden hier war. Als er wusste, dass dem nicht so war, sprach er sie wie zufällig an.
Sie war gleich Feuer und Flamme und es war ein leichtes für ihn, sie zu sich nach Hause abzuschleppen und flach zu legen.
In Gedanken sah er ihre vollkommenen Brüste, die im Takt zu ihren gemeinsamen Bewegungen wippten. Ihren makellosen Hals mit der glatten, sonnengebräunten Haut und dem dunklen, langen Haar, das ihn umspielte.
Diese langen Haare, die seine Brust kitzelten, wenn sie sich zu ihm runter beugte, um ihn zu küssen. Und das Stöhnen, das sich aus ihrer Kehle befreite, wenn er sie zum Höhepunkt brachte.
Vier Wochen hatten sie zusammen verbracht. Vier Wochen fast nur bei ihm im Bett. Und während der Zeit hatten sie eine Menge Spaß gehabt. Offen für sämtliche, sexuelle Experimente war sie. Und wie eine Raubkatze. Wenn sie ihm mit ihren Fingernägeln über den Rücken kratzte, brachte ihn das zusätzlich zur Ekstase.
Es hatte ihm Spaß gemacht. Fast hätte er sich daran gewöhnen können. Aber nun war sie weg und das Thema abgehakt. Bald würde er sich nach der nächsten umsehen.

Er griff in seine Tasche und fand den Brief, den sie ihm kurz vor Einsteigen in den Zug gegeben hatte.
Sollte er ihn lesen? Wahrscheinlich stand da eh nur wieder so ein Quatsch drin. Von wegen „Wann sehen wir uns wieder?“, „Ich liebe Dich“ und all diesen sentimentalen Weiberscheiß.
Aber er war gerade in der Stimmung, so einen Scheiß zu lesen und sich über die Naivität der Frauen zu amüsieren.
Der Umschlag war nicht zugeklebt und es war ein leichtes für ihn, den Brief zu öffnen. Per Büroklammer hatte sie ihm noch ein Bild auf die Rückseite geheftet. Als Erinnerung, dachte er mit einem Grinsen.
Dann begann er zu lesen:

>> Lieber Tom
Ich möchte  Dir lieber über diese Zeilen mitteilen, was mir die letzten Tage am Herzen lag. Es Dir direkt zu sagen, traute ich mich nicht. Wir kennen uns ja erst seit vier Wochen. Und obwohl wir in der Zeit viel intimes zusammen erlebt hatten, hatte ich Angst, mit Dir darüber zu sprechen.
Vorgestern war ich beim Frauenarzt. Ich habe, durch die schöne Zeit mit Dir, völlig vergessen, zu verhüten und prompt blieb meine Regel aus.
Der Frauenarzt bestätigte mir das, was ich befürchtete. Ich bin schwanger! Von Dir, Tom!
Ich weiß, dass ich das Kind behalte. Zu schön war die Zeit mit Dir und so sehr wünsche ich mir ein Kind. Ich habe Dir ein erstes Bild von Deinem Baby mit beigelegt. Weitere werde ich Dir in meinen späteren Briefen immer wieder schicken. Zum Glück habe ich ja Deine Adresse.
Ich hoffe, Du wirst für das Baby sorgen und uns finanziell unterstützen.
Deine Lisa <<

Geschockt riss er das Bild von der Rückseite und starrte es an. Auf dem Ultraschallbild konnte er kaum etwas erkennen. Lauter schwarz, grau, weiße Flecken, die irgendetwas sein sollten.
„Scheiße!“ stieß er aus. „Scheiße, scheiße, scheiße!“
Dabei zerknüllte er den Brief und steckte sich den, zusammen mit dem Bild, in die Tasche.
Sein Leben war vorbei!


Entspannt lehnte sich Lisa in ihrem Sitz zurück. Sicherlich hatte Tom den Brief bereits gelesen. Sie wusste, dass er geschockt sein würde. Das war ihr Vorhaben. Ihre Mandantin würde erfreut sein, dass der Plan aufgegangen war. Dass sie ihn ein wenig verändert hatte und mit ihm im Bett war, würde sie ihr dezent verschweigen. Wenn sie schon vier Wochen außerhalb arbeiten musste, wollte sie sich auch etwas amüsieren. Sie würde, wie abgesprochen, die Ultraschallbilder ihrer Klientin nehmen und ihm schicken. Ihm durch Unterhaltszahlungen all das viele Geld, dass er durch seine Nachtclubs verdiente, aus dem Kreuz leiern.
Er sah zwar super aus und im Bett war er der absolute Wahnsinn. Das sollte aber keine Entschuldigung dafür sein, dass er Frauen das Herz brach und so manche von ihnen schwängerte, um dann zu verschwinden.
Das würde nun die Rache sein. Ihr Gesicht und der Name ihrer Klientin würden ihn noch lange Zeit in Erinnerung bleiben. Und neben dem Honorar, den sie von ihrer Mandantin bekam, hatte sie auch noch ein wenig Spaß an der ganzen Sache gehabt.