Donnerstag, 15. Mai 2014

Das goldene M und die Sache mit dem Fast Food



 

Das goldene M und die Sache mit dem Fast Food


„Mama, ich hab Hunger!“
„Mama, ich will zu McDonalds!“
Und ganz ehrlich, mir hängt der Magen auch schon in den Kniekehlen. Ich betätige den Blinker und biege an der großen Kreuzung nach links ab. Rechts herum wäre ich in fünf Minuten zuhause. Aber als liebe Mutter, die ich meinen Kindern bin, erfülle ich ihnen den Wunsch und fahre auf das Gelände des goldenen M. Auf der Rückbank schmieden die Kinder bereits Pläne, was dieses Mal ins Happy Meal soll. Wir lassen das Auto auf dem Parkplatz und betreten das Schnellrestaurant. Wow, seit unserem letzten Besuch wurde hier renoviert, denke ich noch und freue mich über die übersichtlichen Anzeigetafeln. Schnell haben wir gefunden, was wir essen wollen. Nach drei Kunden vor uns sind wir dran und ich gebe die Bestellung auf. Die freundliche Bedienung, die so um mein Wohlergehen bemüht ist, weil sie sehr aufmerksam fragt, ob ich auch Ketchup oder Majo dazu haben, oder vielleicht noch eine Apfeltasche bestellen möchte, reicht mir den Kassenbon. Ich bedanke mich und sehe sie erwartungsvoll an: Will sie denn nicht langsam damit beginnen, mein Tablett mit Essen zu füllen?
Freundlich hält die Dame hinterm Tresen meinem Blick stand.  Spielen wir jetzt „Wer als erstes wegschaut, hat verloren“?
„Wenn ihre Nummer aufgerufen wird, können sie ihr Essen abholen.“
Ich stutze: „Nummer?“
„Ja, auf ihrem Kassenbon steht eine Nummer,“ sie beugt sich über den Tresen und zeigt auf die großen Ziffern, die vom Kassenbon herunter winken, „wenn ihre Nummer dort auf dem Display angezeigt wird, ist ihr Essen fertig.“
Ah okay, neues Prinzip. Ich nehme mir den kleinen Infoflyer mit, den sie mir freundlicherweise in die Hand gegeben hat.
„Alles klar, Danke.“
Ich drehe mich um und stelle mich an die Seite. Jetzt erst registriere ich die mindestens zwanzig anderen Personen, die teils in großer Erwartung, teils in purer Langeweile an dem Tresen stehen oder auf Bänken sitzen. Alle mit einem Kassenbon in der Hand.

„Mama!,“ quengelt meine Tochter, „Ich hab Hunger! Wo ist mein Happy Meal?“
Ich erkläre meinen Kindern das neue Prinzip dieser Filiale und höre meinen Sohn genervt stöhnen.
„Wir sind gleich dran, dauert bestimmt nicht mehr lange.“
Die Dame neben mir lächelt geheimnisvoll. Weiß sie etwa mehr als ich? Und wie lange wartete sie wohl schon auf ihr Essen?
Hundertdreiundzwanzig lese ich auf meinem Bon und schaue hoch zum Monitor. Dieser ist so voll, dass meine Nummer gar nicht mit aufgelistet ist. Also warte ich weiter. Den Kindern erlaube ich, währenddessen draußen auf dem Klettergerüst zu spielen. Dennoch kommt meine Tochter alle paar Minuten zu mir und fragt, wann wir dran sind. Sie hat Hunger und ich kann sie gut verstehen. Mein Magen macht sich in einer Lautstärke bemerkbar, die selbst im Fußballstadion nicht zu überhören ist. Gelangweilt schaue ich durch das große Fenster nach draußen und erblicke auf der anderen Straßenseite die kleine Imbissbude, die vor dem Baumarkt steht.
„Das ist hier ja wie auf dem Amt!“, schimpft der Mann neben mir.
„Nur dass man da schneller dran kommt“ antwortet ein anderer.
Ich bleibe schweigend stehen und reinige mir mit den Fingern die Nägel.

Es wird hektisch hinter dem Tresen. Drei Bedienungen sind emsig dabei, die Tablets zu packen. Drei Nummern blinken fast gleichzeitig auf dem Monitor auf. Obwohl ich meine Nummer in den letzten fünfzehn Minuten in und  auswendig gelernt habe, schaue ich auf meinen Kassenbon. Vielleicht haben sich die drei Zahlen seit meinem letzten Blick ja verändert? Doch ich habe Pech, ich zähle nicht zu den Glücklichen, die etwas zu Essen bekommen.

Wieder schaue ich auf den Imbiss vor dem Baumarkt. Gleicher Preis, die Speisen etwas fettiger, aber dort hätte ich jetzt meine Pommes und eine Currywurst und könnte von der kühlen Cola trinken. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, mein Magen zieht sich qualvoll zusammen. Er leidet und ich spüre Mitleid. Liebevoll streichel ich über meinen Bauch. Fehlt nur noch, dass ich diesen genauso mit leeren Versprechungen tröste, wie meine Kinder. Nach ihnen suchend drehe ich mich um. Töchterchen ist damit beschäftigt, ihr Gesicht mitsamt den Händen in die Glasvitrine des McCafé zu drücken. Könnte der Kuchen dahinter laufen, so hätte er schon lange das Weite gesucht. Mein Sohn hat währenddessen einen Klassenkameraden gefunden und isst bei ihm munter die Pommes mit.

Da werde ich auf einmal an meinem Arm gestupst.
„Hatten sie nicht die hundertdreiundzwanzig?“ Die Dame neben mir zeigt auf den Monitor.
Wieder blicke ich auf meinen Bon. Tatsächlich, das ist meine Nummer! Schnell gehe ich mit wedelndem Bon an den Tresen. Ich nicke der Bedienung freundlich auf ihr „Guten Appetit“ zu und zirkel mich mit dem vollgepackten Tablett zwischen die Wartenden Menschen an einen Tisch.
Sofort sind meine Kinder wieder bei mir und warten brav, bis ich ihnen ihre Menüs hingestellt habe.
„Iieh, die Nuggets sind ja kalt!“, mäkelt meine Tochter und widmet sich lieber ihrem Spielzeug.
Mein Sohn verkündet nach vier Pommes: „Ich hab keinen Hunger mehr!“
Sein Spielzeug wird ebenfalls ausgepackt. Das Essen verliert an Interesse. Mehr für mich, denke ich noch und klappe den Karton meines Burgers auf. Doch vor mir erstreckt sich ein Bild des Elends. Das Brötchen liegt nur schräge auf. Der Salat liegt überall im Karton, nur nicht auf dem Burger. Die Frikadelle ertrinkt in der Soße. Was hatte ich nochmal bestellt? Ich kann es nicht identifizieren. Nachdem ich alles ordentlich aufeinander drapiert habe, beiße ich hinein. Meine Tochter hat Recht: Kalt. Ich schaffe es, ohne eine Miene zu verziehen, mein Essen zu verspeisen.
Meine Kinder folgen mir spielend zum Tablettwagen und nach draußen. Dort bleibe ich abrupt stehen und stutze: Es ist dunkel und die ersten Abendsterne funkeln. Waren wir wirklich so lange drin?


Für das nächste Mal nehme ich mir vor, gleich in ein richtiges Restaurant zu fahren. Dort hat man schneller sein Essen, sitzt an einem Tisch mit Tischdecke, Deko, oft sogar einer Kerze und Besteck. Und das Beste: Man bekommt sogar warme Speisen.



Es lebe das Fast Food…

Mittwoch, 27. März 2013

Oster-Aktion: Osterfeuer


Wie schon beim 366 Tage Projekt im letzten Jahr, sind die von Euch vorgeschlagenen Worte gelb markiert.
Passend zu Ostern gibt es heute eine kleine Extra-Aktion. ;)

Ihr könnt jetzt, unter dieser Geschichte die Vorschläge für die nächste Geschichte abgeben. Genaue Infos zu diesem Projekt findet Ihr hier: Regeln

Viel Spaß beim Lesen der "Oster-Aktionsgeschichte" Geschichte.



Osterfeuer

"Das gibts doch nicht!", zischte Tanja zwischen zusammengebissenen Zähnen.
"Was ist los?" Ihre Mitbewohnerin Lena unterbrach ihr durchgehendes Schniefen und sie legte das Taschentuch kurz ab. Sie litt seit einer Woche unter einer dicken Erkältung und ernährte sich nur noch von Suppen und Hustensaft.
"Kannst du dich noch an die Party letztes Wochenende erinnern? Der Typ, der mich völlig dicht gelabert hatte?"
"Ja klar, wer würde den nicht vergessen?!" Lena lachte. Wieder schnaubte sie ins Taschentuch und warf es danach zu den hundert anderen in den Mülleimer.
"Und, was ist mit ihm?"
"Der hat mir grad ne Freundschaftsanfrage geschickt."
Sofort stand Lena neben Tanja am PC und blickte auf den Bildschirm.
"Woher hat er denn deinen vollen Namen?"
"Muss ich ihm wohl gesagt haben. Aber ich hätte nie gedacht, dass er sich den merkt. So voll, wie der war."
"Zeig mal, wie sieht der denn nüchtern aus?"
Tanja klickte seinen Namen an und kurz danach erschien seine Profilseite. Ein lautes, krächzendes Pfeifen entwich Lenas Mund.
"Wow, der sieht gar nicht mal so schlecht aus. Und, willst Du Dich mit ihm treffen?“
Tanja sah das freundliche Gesicht an, das ihr vom Foto links in der Ecke entgegen lächelte. Lena hatte recht, er sah wirklich gut aus. Hatte sie ihn so beiläufig wahrgenommen? Sie dachte  an den Abend zurück und sofort kam ihr wieder die Band in Erinnerung, die dort gespielt hatte und dafür sorgte, dass es sehr voll war. Dann kam ihr der Typ vor die Nase. Wie hieß er noch gleich? Sie schielte vom Foto rüber zum Namen. Tom.  Seine Anmache war plump und sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie kein Interesse hatte.
„Bitte, geb mir nur hundert Sekunden, um dir zu beweisen, dass ich in Zukunft hochaktuell für dich sein werde.“
Was für ein verrückter Typ, dachte sie da noch. Aber sie ließ sich auf eine Unterhaltung ein, an deren Inhalt sie sich jetzt gar nicht erinnern konnte. Tja, und hier saß sie nun: Mit einer Anfrage bei Facebook und einer Einladung zum Osterfeuer am Samstag.
„Geh hin!“, drängte Lena.
Tanja hätte sich lieber zuhause auf der Couch verschanzt, DVDs geguckt und  sich mental auf das Osterfrühstück bei ihren Eltern eingestellt. Stattdessen hörte sie sich selbst sagen: „Aber nur, wenn du mitkommst!“
„Klar!“, hustete Lena, „Bis Samstag werde ich bestimmt wieder fit sein.“
„Nagut.“
Tanja bestätigte die Freundschaftsanfrage und kurze Zeit später bekam sie eine Persönliche Mitteilung. Es war ein Liebesgedicht. Wunderschön geschrieben. Lena schmolz dahin, als sie ihr das vorlas, doch sie war sicher, dass es nicht von ihm persönlich war.
„Hat er bestimmt aus dem Internet.“
„Und wenn schon. Bei diesen warmen Worten würde ich ihn direkt in die nächste Besenkammer zerren.“
„Na du bist aber leicht zu haben.“
Tanja musste über das Verhalten ihrer Mitbewohnerin lachen. Sie überraschte sie immer wieder aufs Neue. Doch mehr war sie über sich selbst überrascht, dass sie dieser Einladung und dem Balzverhalten des für sie so fremden Mannes folgte.
Wie sollte das bloß enden?

 

Ostern rückte immer näher.  Emil konnte es kaum erwarten,  dass seine Mutter ihn und seinen Vater am Sonntag zum Brötchenholen schickte, damit sie Osterhase spielen konnte. Er wusste genau, dass seine Mutter der Osterhase war. Doch bis Sonntag waren noch drei Tage. Es fiel ihm wahnsinnig schwer, sich bis dahin zu gedulden.
„Mama, kann ich dir beim Einkaufen helfen?“
„Gute Idee, ich brauche noch ein wenig.“
Sie diktierte ihm die Lebensmittel, die er mit größter Sorgfalt auf den Zettel schrieb: Eierlikör, Mehl, Eier, Milch, Schokolade, eine DVD.
Monstersball?“
„Das ist ein Film für Papa“, erklärte ihm seine Mutter, „den wünscht er sich schon so lange.“
„Aber wieso schenkt der Osterhase Papa nicht den Film?“ Emil hörte mit Schreiben auf.
„Das ist wie beim Weihnachtsmann. Du weißt doch, dass wir für ihn auch ab und zu Geschenke besorgen müssen, weil er bei so vielen Kindern das alleine nicht schafft.“
Das war einleuchtend und Emil gab sich mit der Antwort zufrieden. Kurze Zeit später verließ er mit seiner Mutter das Haus. Draußen fiel Neuschnee und er freute sich über die vielen, durch die Luft tanzenden Flocken. Seine Mutter fluchte verhalten. Im Supermarkt folgte er brav seiner Mutter. Er durfte den Einkaufswagen schieben, während seine Mutter die Zutaten hineinstellte. Auf dem Wasa Knäckebrot entdeckte er einen Elefanten und las den dazugehörigen Text: Gutschein für ein Gratis Eintritts-Ticket.
„Mama, können wir da mal hin?“ Er zeigte auf die Verpackung und seine Mutter schaute sich die Werbung an.
„Ich werde mir das zuhause genauer ansehen. Hier auf der Verpackung kann ich leider nicht sehen, für welche Parks das gilt.“ Sie setzten ihren Einkauf fort.
„Antje! Schön dich zu sehen. Wie geht’s euch? Ist das Emil? Mensch bist du groß geworden.“
Ursula, eine Freundin seiner Eltern stand vor ihnen und wuschelte ihm durchs Haar. Emil verkniff sich einen Protest und blickte sich im Geschäft um. Nicht weit entfernt war die Zeitschriftenabteilung.
„Mama, darf ich zu den Zeitschriften und mir was aussuchen?“
„Ja ja, mach nur, aber komm gleich wieder.“
Seine Mutter war schon mitten im Gespräch vertieft. Schnurstracks steuerte er auf die Hefte zu und überflog sie. Das Micky Maus Magazin und Star Wars Heft hatte er schon. Filly, Wendy, Barbie. Bäh, lauter Mädchenmist. Er ging weiter am Regal entlang und entdeckte eine Vielzahl von Büchern. Das magische Baumhaus, las er. Davon gab es viele verschiedene Teile und ein Titel klang spannender, als der andere.
„Verschollen auf hoher See, das klingt gut!“ Er nahm sich das Buch und ging wieder zurück zu seiner Mutter, die noch immer angeregt mit Ursula sprach.
„… Tom wird auch da sein. Er hat letzte Woche ein Mädchen kennengelernt, die er mitbringen möchte. Du wirst Augen machen, wie er sich verändert hat. Sagen wir um achtzehn Uhr?“
„Ja, das klingt gut. Ich weiß zwar noch nicht, ob ich so kurzfristig einen Babysitter für Emil bekomme, aber wenn nicht, bringe ich ihn einfach mit.“
„Prima, ich freu mich. Ich werde Bernd Bescheid sagen. Der hat bestimmt eine Menge mit Deinem Mann zu erzählen.“
Emils Mutter schob den Einkaufswagen weiter und Ursula verschwand bald hinter dem nächsten Regal.
„Wohin gehen wir denn?“ fragte Emil.
„Ursula hat uns zu einem Osterfeuer eingeladen.“
„Aber ich dachte, Papa geht zur Pokerrunde?!“
Seine Mutter blieb abrupt stehen.
„Oh Mist, das hab ich ja völlig vergessen. Na dann gehe ich mit dir alleine dorthin.“
Grimmig folgte Emil ihr zur Kasse. Lieber würde er bei Papa zuhause bleiben.



Dienstag, 26. März 2013

3. Geschichte: Rocky, die Operette


Wie schon beim 366 Tage Projekt im letzten Jahr, sind die von Euch vorgeschlagenen Worte gelb markiert. Ihr könnt jetzt, unter dieser Geschichte die Vorschläge für die nächste Geschichte abgeben. Genaue Infos zu diesem Projekt findet Ihr hier: Regeln
Viel Spaß beim Lesen der dritten Geschichte


Rocky, die Operette

"Bist du da unten?"
Phil hielt in seiner Arbeit inne und legte den Hammer zur Seite.
Hört man doch, dass ich hier bin, dachte er. Seit Tagen schon arbeitete er  an dem alten Möbelstück und entfloh der schwülen Nachmittagshitze. Die Kellertreppe knarrte, als Peggy in ihren giftgrünen Stöckelschuhen schlacksig die Stufen nach unten kam.
"Solltest du nicht lieber oben bleiben? Hier ist alles staubig."
Sie schlang ihre Arme um den Oberkörper.
"Ganz schön frisch hier unten."
Ach, was du nicht sagst. Manchmal konnte sie ganz schön nerven. Mit ihrem Outfit, das dem eines Freudenhauses gerecht werden konnte, war sie hier so fehl am Platz, wie ein Containerschiff in der Wüste.
Sie ging zum alten Schrank, aus dem er die rostigen Nägel gezogen und die alte Lackschicht abgeschliffen hatte. Fast liebevoll strich sie mit ihren rot lackierten Fingernägeln über die raue Oberfläche. 
"Kaum zu glauben, dass das Omas alte Anrichte war."
Sie blickte auf und Phil erkannte eine Träne in ihrem Augenwinkel. Wie sie sich doch innerhalb kurzer Zeit so verändern konnte. Heute Morgen noch saß sie am Esstisch, mit verschmiertem Mund vom Marmeladen Toast. Wie ein Kind wirkte sie. Klein und zerbrechlich.
Sie hatte den Tod der Oma lange nicht verkraften können und sich während Omas schwerer Krankheit fast utopische Hoffnungen gemacht. Die Gespräche mit den Ärzten, die ihnen deutlich sagten, dass es keine Möglichkeiten mehr gab, hatte sie ignoriert und war schwer  verletzt, als Phil sie auf den Boden der Tatsachen holte. Es schmerzte ihn genauso, sich mit dem Verlust der geliebten Oma auseinander zu setzen, doch umso mehr machte es ihn fertig, seine Schwester zu sehen, die in einer Scheinwelt lebte. Den einen Moment befand sie sich im Freudentaumel, den nächsten stürzte sie in ein tiefes Loch. Und Phil zog sie da jedes Mal gleich mit rein.
Jetzt, knapp ein halbes Jahr nach Omas Tod, ging es bergauf und Peggy begann, ihr Leben wieder voller Freude und  Interesse zu leben. Sie waren zusammen, wie Oma es wollte, in das große Haus gezogen und Phil arbeitete die alten Möbelstücke auf. Die Zeit, die er hier verbrachte, war wie ein Stück Freiheit. Er konnte sich vom Arbeitsalltag ablenken. Sich körperlich bis zur Erschöpfung verausgaben. Und sich über die fertigen Möbel freuen. Obwohl dieser Schrank ihm alles abverlangte.
"Und, wann beginnt deine Operette?"
"Das ist keine Operette! Rocky ist ein Musical!"
"Tschuldigung, damit kenne ich mich nicht aus. Ich gehe lieber auf Rockkonzerte."
Er blickte wieder auf das Möbelstück, das ihn in seinem mangelnden Fortschritt der Neuentstehung eher verhöhnte.     
"Willst du nicht mitkommen? Claudelle kann bestimmt noch eine Karte organisieren. Dann kommst du hier mal raus und kannst gleich den Unterschied zwischen Musical und Operette lernen."
Ihr Schmunzeln steckte ihn an. Sein Blick wanderte über ihr Outfit. Hübsch sah sie aus, in ihrem Polyesterkleid und den zurecht gemachten Haaren. Aber wenn er ihr Kleid erwähnen würde, würde sie ihn sicherlich wieder korrigieren, was das Material anging. Er sah auf seine Hände. Ein blutiger Fingernagel, Dreck unter den anderen. Zerrissene, raue Handflächen und Kratzer an den Unterarmen. So würde ihn niemand rein lassen, selbst wenn sein Anzug von Gucci oder was auch immer wäre.
"Ne lass mal lieber. Ich will den Schrank heute noch so weit fertig bekommen, dass ich ihn morgen lackieren kann."
Peggy zuckte mit den Schultern. Sie sah ein wenig enttäuscht aus. Doch nur für einen kurzen Moment. Sofort war die Vorfreude auf das Musical wieder da und ein Lächeln erschien auf ihrem hübschen Gesicht.
"Mach aber nicht zu lange."
"Viel Spaß bei Rocky."
Das Knarren der Treppenstufen verhallte nach kurzer Zeit und Phil machte sich weiter daran, die Rückwand festzunageln. Beim Gedanken an das wohlverdiente Feierabendbier bekam er einen trockenen Mund und zog sein Arbeitstempo an.
  

Oster Aktion

Eine Oster-Mitmach Aktion für zwischendurch:

Schickt mir bis morgen Abend, 20 Uhr, eure Stichworte und ich zauber daraus eine Ostergeschichte.
Es gelten die gleichen Regeln, wie bei der anderen Aktion
Viel Spaß ! :)

P.S.: Die Geschichte von letzter Woche kommt gleich... ;)

Sonntag, 17. März 2013

2. Geschichte: David Bowie




Wie schon beim 366 Tage Projekt im letzten Jahr, sind die von Euch vorgeschlagenen Worte gelb markiert. Ihr könnt jetzt, unter dieser Geschichte die Vorschläge für die nächste Geschichte abgeben.
Genaue Infos zu diesem Projekt findet Ihr hier:   Regeln

Viel Spaß beim Lesen der zweiten Geschichte


David Bowie
Kommissar Kühnert blickte ungläubig die 30 jährige Frau vor sich an. Ihre Hände waren voller Blut und sie wirkte total verwirrt. Ein Kollege von ihm hatte die Frau auf der Straße aufgelesen, als er von seiner Streife zurück zur Wache gefahren war. Kurz nach Mitternacht war sie ihm fast vors Auto gelaufen.
„Ich hab gleich Feierabend, kümmre du dich drum.“, hatte er ihm nur gesagt.
So saß er jetzt hier am Tisch: Gegenüber eine Zeugin, die sich am Kaffeebecher festklammerte und wirres Zeug redete.
„Sie müssen mir wirklich glauben“, wiederholte sie atemlos, „ich wurde von David Bowie überfallen!“
David Bowie, so ein Unsinn.
„Und wo wurden sie von ihm überfallen?“ Er versuchte, den leicht genervten Ton zu unterdrücken.
Das würde er seinem Kollegen Günter heimzahlen.
„Beim Friedhof! Ich war gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Wissen sie, ich arbeite im Kinderkrankenhaus und hatte eine harte Nacht. Ein kleines Kind wurde von einem Auto angefahren und sehr schwer verletzt. Wir konnten ihr nicht helfen. Sie starb vor ein paar Stunden.“ Traurig blickte sie auf ihre Hände.
Selbst nach über zwanzig Jahren im Dienst ließ ihn so etwas nicht kalt.
„Das tut mir leid. Bitte fahren sie fort. Sie waren also auf dem Weg nach Hause.“
„Ja genau.“ Sie nickte eifrig. „Ich war gedanklich noch auf meiner Fantasiereise. Das mache ich immer, um die schlimmen Erlebnisse aus dem Krankenhaus besser zu verarbeiten. Diesmal war ich ein Maulwurf, der sich durch das Erdreich gegraben hat.“
Kühnert verdrehte die Augen und schaute auf die Uhr. Noch vier Stunden, bis Feierabend.
„Vielleicht hab ich den Mann deshalb nicht gesehen“, fuhr sie fort, „aber auf einmal stand er direkt vor mir.“
„Und dieser Mann war David Bowie?“
„Ja genau!“
„Und was ist dann passiert?“ Kühnert ließ den Kugelschreiber zwischen seinen Fingern auf und ab wippen. Er sah es nicht für notwendig, sich Notizen zu machen. Dafür hatte er das Diktiergerät.
„Er grüßte mich freundlich und lächelte mich an. Wissen sie, er hatte so einen Wohlfühlcharacter, so dass ich gar nicht auf die Idee kam, mich in Gefahr zu fühlen. Er hatte eine zusammen gerollte Zeitung in der Hand und sagte zu mir, ich soll bitte mal auf die Zeitung schauen. Erkennen sie diese Person? hatte er gefragt. Die Zeitung war von Neunzehnhundertfünfundvierzig und schon völlig vergilbt.“
„Und wer war auf dem Bild zu sehen? Kannten sie die Person?“
„Ja natürlich! Das war er!“
„Wie bitte?“
„Er war auf dem Bild zu sehen. Sah genauso aus, wie er vor mir stand. Als ich ihm sagte, dass ich ihn erkenne, fing er an zu lächeln und sagte trocken, dass ich Recht habe. Ich dachte, er wollte mich verarschen, aber er nahm meine Hand, hauchte einen zarten Kuss auf den Handrücken und meinte, ich soll verzeihen, aber er wäre so hungrig.“
„Hungrig?“
Kühnert befürchtete, zu ahnen, was gleich kommen würde, aber schüttelte diesen wirren Gedanken ab. Das klang ihm doch zu sehr nach Hollywood.
„Ich wollte ihm Geld geben, damit er sich etwas kauft, doch bevor ich in meine Tasche greifen konnte, riss er mein Handgelenk an den Mund und biss rein. Erst spürte ich einen Schmerz, dann ein Gefühl des betäubt seins und alles wurde schwarz vor meinen Augen.“
„Er hat sie also ins Handgelenk gebissen?“
Ohne zu zögern hielt sie ihm ihren Arm hin. Ganz deutlich sah er zwei kleine Einstichstellen. Sollte sie wirklich Recht behalten?
In ihm erhärtete sich ein grauenhafter Verdacht: Sollte sie wirklich die Wahrheit sagen, würde da draußen ein Wahnsinniger herum laufen.
Er bat einen Kollegen dazu. Eine Täterbeschreibung wurde aufgenommen, ein Phantombild gezeichnet. Sie hatte Recht, er sah David Bowie verdammt ähnlich.
Nachdem alles erledigt war, entließ er sie nach Hause. Doch sie zögerte.
„Was ist? Wollen sie nicht nach Hause?“
„Was ist, wenn ich ihn nochmal treffe?“ Sie biss sich auf die Unterlippe.
„Wissen sie was, ich fahre sie rum. Wie ist ihre Adresse?“
Kühnert griff nach den Schlüsseln auf dem Schreibtisch, meldete sich bei seinem Kollegen ab und führte sie zu den Streifenwagen vor dem Haus. Als er die Autotür hinter sich schloss und eine Stille sie einlullte, atmete sie erleichtert aus. Sie wohnte nur wenige Blocks entfernt und innerhalb weniger Minuten war sie zuhause. Er begleitete sie bis an die Tür. Aus dem Haus hörte er  die Melodie von Enyas orinoco flow.
„Vielen Dank, sie haben mir sehr geholfen.“
Als er sich zum Gehen abwenden wollte, schlüpfte eine schwarze Katze durch die Katzenklappe ihrer Haustür, schmiegte sich an ihren Beinen und blickte herausfordernd zu ihm hoch. Die Frau bückte sich und streichelte dem Tier anmutig über den Kopf und sah ebenfalls Kühnert an. Sie lächelte und ließ ihre Zähne aufblitzen.
Er stutzte. Spielte ihm der Schlafmangel einen Streich? Ihre Eckzähne. Sie traten lang und spitz unter ihren Lippen hervor.
„Ich hab dir doch gesagt, ich schaffe es, ihn hierher zu bekommen.“
Die Katze fauchte kurz und ehe er sich versah, stand an Stelle des Tieres ein Mann vor ihm. David Bowie? Dann wurde es schwarz um ihn.

Montag, 4. März 2013

1. Geschichte: Massaker im Einkaufszentrum





Die erste Geschichte ist fertig!
Wie schon beim 366 Tage Projekt im letzten Jahr, sind die von Euch vorgeschlagenen Worte gelb markiert. Ihr könnt jetzt, unter dieser Geschichte die Vorschläge für die nächste Geschichte abgeben. Viel Spaß beim Lesen!



Massaker im Einkaufszentrum

Lena ging schwerbepackt durchs EKZ. Es fehlte noch eine Flasche Wein von ihrem Lieblings Weinhändler. Wenn sie die besorgt hatte, konnte sie endlich nach Hause. Ihre Schwester wartete bereits. Heute war ihr gemeinsamer Kochtag. Jeden Monat trafen sie sich, kochten zusammen und Tratschten über Freunde, Familie und Bekannte. Sie freute sich, obwohl sie müde war.

Ihre Nachbarin begann an diesem frühen Morgen um sieben Uhr sechsundvierzig, im Garten das Unkraut zu jäten. Wie jedes Mal, wenn sie im Garten war, dudelte das Radio mit seiner Schlagermusik,  dass für Lena die Nacht zu Ende war. Total erschlagen zwang sich Lena aus dem Bett und machte sich fertig für den Tag. Sie war am Tag zuvor erst um Mitternacht ins Bett gekommen. Mussten ihre Schwester und sie unbedingt noch den Einkaufszettel besprechen. Ein Wort ergab das nächste und Schwupps, hatten sie zwei Stunden gesprochen. Zumindest konnte sich Lena beim Nachhause kommen an die Knallbunte Farbenpracht in Ilse Müllers Vorgarten erfreuen. Wie über die sieben Zwerge, die fein säuberlich um das durch die Witterung völlig verkümmerte Schneewittchen aufgestellt waren.
 
Lena schleppte ihre Tüten weiter durch die lange Parade von Geschäften. Blumengeschäfte mit bunten Schmetterlingen als Vorboten des Frühlings, Drogeriemärkte, Modegeschäfte, Gemüsehändler. Alle lockten mit Angeboten des Tages. Sie hatte bereits alles abgeklappert. Im DM Markt die Schokolade für ihre Schwester besorgt, für sich noch eine neue Haarbürste, beim Händler ihres Vertrauens frisches Gemüse und Eier geholt. Ihre Tüten voller gepackt und das Angebot von Ali aus dem orientalischen Laden, ihr einen Einkaufswagen zu geben, dankend abgelehnt.
Diese paar Tüten bekomme ich auch so zum Auto, dachte sie. 
Endlich erreichte sie ihr Ziel. Dietmar räumte gerade eine neue Ladung Flaschen ein, als sie stöhnend ihre Tüten auf die Ablage abstellte.
„Guten Morgen Lena, an einem Samstag so früh schon hoch?“
„Ja, Du weißt doch, der frühe Vogel fängt den Wurm.“
Er grinste und sah sie über seine Brillengläser an.
„Was kann ich heute für dich tun?“
„Wir wollen italienische Omelette machen. Meine Schwester möchte dazu einen besonderen Wein. Sie hat etwas zu feiern.“
Dietmar holte verschiedene Rotweinflaschen aus dem Regal und erklärte ihr alle. Nachdem sie sich für einen entschieden hatte, stopfte sie die Flasche in eine der Einkaufstüten, bezahlte und verabschiedete sich von ihm.
„Grüß Steffi schön!“, rief Dietmar ihr hinterher.
Sie drehte sich um, aber ehe sie antworten konnte, trat sie gegen den großen Tür Stopper am Eingang, verlor das Gleichgewicht und fiel in den breiten Gang der Ladenzeile hinein. Mit einem Knall schlugen ihre Tüten auf den Boden, die Rotweinflasche zersprang und färbte den sauber polierten Marmorboden mit einer scharlachroten Weinlache.
„Lena! Ist Dir was passiert?“
Dietmar kam sofort herbei geeilt.  Lena hockte auf den Knien und guckte wie gelähmt das Chaos an. Passanten hielten an. Einige zum Gaffen, andere, die sich sofort bückten und anfingen, die umherrollenden Paprika einzusammeln. Als sie von weitem Ali mit einem Einkaufswagen ankommen sah, bekam sie einen Lachkrampf. Ihr war eher danach, hysterisch zu heulen, aber sie war so erschöpft, dass sie nicht anders konnte, als zu lachen. Nicht ladylike, dachte sie noch. Mehrfach wurde sie gefragt, ob mit ihr alles in Ordnung sei und nachdem sie sich erhob und anfing, ihre Tüten in den Wagen zu stellen und sich bei ihren Helfern zu bedanken, blickte sie auf die rote Lache.
„Sieht aus, wie nach einem Massaker, ne?“, stellte Ali neben ihr fest.
Von Dietmar bekam sie eine neue Flasche Wein, das EKZ Reinigungsteam war dabei, die Spuren ihres Malheurs zu beseitigen und leicht beschämt ging sie zum Auto, um schnell von hier weg zu kommen. Das nächste Mal, nahm sie sich vor, nehme ich gleich einen Wagen.

Freitag, 1. März 2013

Neues Projekt

Wochenprojekt: Spontan-Mitmach-Geschichten


Nach mehreren Nachfragen und Äußerungen wie "Deine 366 Tage Geschichte war so toll! Wann machst Du weiter?" habe ich mich entschieden, Eurem Wunsch nachzukommen und mir ein neues Projekt ausgedacht:


Spontan-Mitmach-Kurzgeschichten

Wobei sie so ganz spontan nicht sein werden und auch nicht nur von mir alleine sind.
Auch bei diesem Projekt wird es ohne Euch nicht gehen!
Ihr steuert wieder Worte bei, aus denen die Geschichte bestehen wird.
Wer mitmachen will, setzt unten ins Kommentarfeld die Stichworte rein.
Aus allen Worten werden zum Ende der Woche 20 gezogen und diese werden dann in einem spontanen Schreibfluss (Ich hoffe, die Muse wird bei mir sein ;) ) zu einer Geschichte umgewandelt.

Ganz so einfach mache ich es Euch aber nicht. Es gibt Regeln!

- Keine pornografischen Sachen!  Mein Blog ist öffentlich und wird bei Facebook verlinkt. Es können  durchaus Kinder die Geschichten lesen und diese möchte ich schützen!

- Eure vorgeschlagenen Wörter (bestimmt werden pro Person wieder mehrere genannt) müssen verschiedene Bereiche abdecken:
Ich sammel also Orte, Gefühle, Tageszeiten, Gegenstände, Farben, Speisen, männlich/weiblich usw.
Bei mehreren genannten Orten etc. wird das Los entscheiden, sofern ich nicht alles einarbeiten kann.

- Ihr habt immer von Montag bis Sonntag Zeit, Eure Vorschläge einzureichen.

- Genauso habe ich eine Woche Zeit, die Wochen-Geschichte zu schreiben.

- Es werden nur Kommentare berücksichtigt, die unter den (aktuellen) Beitragsaufrufen stehen. Entweder wird es die als einzelnen Post geben, oder es wird unter einer Geschichte dazu aufgerufen.

- Ach und noch etwas: Für Eure vorgeschlagenen Worte wird es keine Vergütung bekommen. Die Nennung ist freiwillig und das Ergebnis eine neue Geschichte. Seht die Geschichte als Euren Lohn ;)

Soweit alles verstanden? Gut :)

Heute haben wir schon Freitag, so dass Ihr ausnahmsweise nur drei Tage Zeit habt. Bis Sonntag, 3.3. 2013 können Worte genannt werden. Ich werde sehen, was ich daraus machen kann.

Viel Spaß dabei!