Donnerstag, 15. Mai 2014

Das goldene M und die Sache mit dem Fast Food



 

Das goldene M und die Sache mit dem Fast Food


„Mama, ich hab Hunger!“
„Mama, ich will zu McDonalds!“
Und ganz ehrlich, mir hängt der Magen auch schon in den Kniekehlen. Ich betätige den Blinker und biege an der großen Kreuzung nach links ab. Rechts herum wäre ich in fünf Minuten zuhause. Aber als liebe Mutter, die ich meinen Kindern bin, erfülle ich ihnen den Wunsch und fahre auf das Gelände des goldenen M. Auf der Rückbank schmieden die Kinder bereits Pläne, was dieses Mal ins Happy Meal soll. Wir lassen das Auto auf dem Parkplatz und betreten das Schnellrestaurant. Wow, seit unserem letzten Besuch wurde hier renoviert, denke ich noch und freue mich über die übersichtlichen Anzeigetafeln. Schnell haben wir gefunden, was wir essen wollen. Nach drei Kunden vor uns sind wir dran und ich gebe die Bestellung auf. Die freundliche Bedienung, die so um mein Wohlergehen bemüht ist, weil sie sehr aufmerksam fragt, ob ich auch Ketchup oder Majo dazu haben, oder vielleicht noch eine Apfeltasche bestellen möchte, reicht mir den Kassenbon. Ich bedanke mich und sehe sie erwartungsvoll an: Will sie denn nicht langsam damit beginnen, mein Tablett mit Essen zu füllen?
Freundlich hält die Dame hinterm Tresen meinem Blick stand.  Spielen wir jetzt „Wer als erstes wegschaut, hat verloren“?
„Wenn ihre Nummer aufgerufen wird, können sie ihr Essen abholen.“
Ich stutze: „Nummer?“
„Ja, auf ihrem Kassenbon steht eine Nummer,“ sie beugt sich über den Tresen und zeigt auf die großen Ziffern, die vom Kassenbon herunter winken, „wenn ihre Nummer dort auf dem Display angezeigt wird, ist ihr Essen fertig.“
Ah okay, neues Prinzip. Ich nehme mir den kleinen Infoflyer mit, den sie mir freundlicherweise in die Hand gegeben hat.
„Alles klar, Danke.“
Ich drehe mich um und stelle mich an die Seite. Jetzt erst registriere ich die mindestens zwanzig anderen Personen, die teils in großer Erwartung, teils in purer Langeweile an dem Tresen stehen oder auf Bänken sitzen. Alle mit einem Kassenbon in der Hand.

„Mama!,“ quengelt meine Tochter, „Ich hab Hunger! Wo ist mein Happy Meal?“
Ich erkläre meinen Kindern das neue Prinzip dieser Filiale und höre meinen Sohn genervt stöhnen.
„Wir sind gleich dran, dauert bestimmt nicht mehr lange.“
Die Dame neben mir lächelt geheimnisvoll. Weiß sie etwa mehr als ich? Und wie lange wartete sie wohl schon auf ihr Essen?
Hundertdreiundzwanzig lese ich auf meinem Bon und schaue hoch zum Monitor. Dieser ist so voll, dass meine Nummer gar nicht mit aufgelistet ist. Also warte ich weiter. Den Kindern erlaube ich, währenddessen draußen auf dem Klettergerüst zu spielen. Dennoch kommt meine Tochter alle paar Minuten zu mir und fragt, wann wir dran sind. Sie hat Hunger und ich kann sie gut verstehen. Mein Magen macht sich in einer Lautstärke bemerkbar, die selbst im Fußballstadion nicht zu überhören ist. Gelangweilt schaue ich durch das große Fenster nach draußen und erblicke auf der anderen Straßenseite die kleine Imbissbude, die vor dem Baumarkt steht.
„Das ist hier ja wie auf dem Amt!“, schimpft der Mann neben mir.
„Nur dass man da schneller dran kommt“ antwortet ein anderer.
Ich bleibe schweigend stehen und reinige mir mit den Fingern die Nägel.

Es wird hektisch hinter dem Tresen. Drei Bedienungen sind emsig dabei, die Tablets zu packen. Drei Nummern blinken fast gleichzeitig auf dem Monitor auf. Obwohl ich meine Nummer in den letzten fünfzehn Minuten in und  auswendig gelernt habe, schaue ich auf meinen Kassenbon. Vielleicht haben sich die drei Zahlen seit meinem letzten Blick ja verändert? Doch ich habe Pech, ich zähle nicht zu den Glücklichen, die etwas zu Essen bekommen.

Wieder schaue ich auf den Imbiss vor dem Baumarkt. Gleicher Preis, die Speisen etwas fettiger, aber dort hätte ich jetzt meine Pommes und eine Currywurst und könnte von der kühlen Cola trinken. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, mein Magen zieht sich qualvoll zusammen. Er leidet und ich spüre Mitleid. Liebevoll streichel ich über meinen Bauch. Fehlt nur noch, dass ich diesen genauso mit leeren Versprechungen tröste, wie meine Kinder. Nach ihnen suchend drehe ich mich um. Töchterchen ist damit beschäftigt, ihr Gesicht mitsamt den Händen in die Glasvitrine des McCafé zu drücken. Könnte der Kuchen dahinter laufen, so hätte er schon lange das Weite gesucht. Mein Sohn hat währenddessen einen Klassenkameraden gefunden und isst bei ihm munter die Pommes mit.

Da werde ich auf einmal an meinem Arm gestupst.
„Hatten sie nicht die hundertdreiundzwanzig?“ Die Dame neben mir zeigt auf den Monitor.
Wieder blicke ich auf meinen Bon. Tatsächlich, das ist meine Nummer! Schnell gehe ich mit wedelndem Bon an den Tresen. Ich nicke der Bedienung freundlich auf ihr „Guten Appetit“ zu und zirkel mich mit dem vollgepackten Tablett zwischen die Wartenden Menschen an einen Tisch.
Sofort sind meine Kinder wieder bei mir und warten brav, bis ich ihnen ihre Menüs hingestellt habe.
„Iieh, die Nuggets sind ja kalt!“, mäkelt meine Tochter und widmet sich lieber ihrem Spielzeug.
Mein Sohn verkündet nach vier Pommes: „Ich hab keinen Hunger mehr!“
Sein Spielzeug wird ebenfalls ausgepackt. Das Essen verliert an Interesse. Mehr für mich, denke ich noch und klappe den Karton meines Burgers auf. Doch vor mir erstreckt sich ein Bild des Elends. Das Brötchen liegt nur schräge auf. Der Salat liegt überall im Karton, nur nicht auf dem Burger. Die Frikadelle ertrinkt in der Soße. Was hatte ich nochmal bestellt? Ich kann es nicht identifizieren. Nachdem ich alles ordentlich aufeinander drapiert habe, beiße ich hinein. Meine Tochter hat Recht: Kalt. Ich schaffe es, ohne eine Miene zu verziehen, mein Essen zu verspeisen.
Meine Kinder folgen mir spielend zum Tablettwagen und nach draußen. Dort bleibe ich abrupt stehen und stutze: Es ist dunkel und die ersten Abendsterne funkeln. Waren wir wirklich so lange drin?


Für das nächste Mal nehme ich mir vor, gleich in ein richtiges Restaurant zu fahren. Dort hat man schneller sein Essen, sitzt an einem Tisch mit Tischdecke, Deko, oft sogar einer Kerze und Besteck. Und das Beste: Man bekommt sogar warme Speisen.



Es lebe das Fast Food…

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