Donnerstag, 31. März 2011

Heute koche ich...







Heute koche ich

Claudia sah prüfend die Erdbeeren an. Nachdem sie keine matschigen Früchte in der Schale sehen konnte, kamen sie zu den Weintrauben und der Schokolade in ihren Einkaufswagen. Heute hatten sie ihren vierten Jahrestag und zur Feier des Tages wollte Kai sie mit einem selbstgekochten Essen überraschen. Sie sollte für den Nachtisch sorgen und am besten erst nach Hause kommen, wenn alles fertig wäre.
Mit einem Lächeln im Gesicht dachte sie an Kai. Das erste Mal, dass er kochte. Ob er mit Schürze am Herd stehen würde? Konnte er überhaupt kochen? Und wäre es genießbar? Was hatte sie für ein Glück mit ihm. Er, der gutaussehende Mann. Mit seinen dunkelbraunen, kurzen Haaren, den blauen Augen und diesem großen, gut gebauten Körper. Damals hätte sie nicht gedacht, dass so ein Mann sich für sie, eine graue Maus interessieren könnte. Aber er sprach nicht ihre viel hübschere Freundin an, sondern sie. Und nun hatten sie bereits den vierten Jahrestag zusammen.

Mit ihren Einkäufen verließ sie das Geschäft. Freudiger Erwartung lächelte sie dem Feuerwehrzug hinterher, der mit heulenden Sirenen und
 Blaulicht an ihr vorbei sauste. Sie machte sich auf den Heimweg und war gespannt, was sie dort erwarten würde. Kocht er nach Rezept? Gibt es Dosenessen? Oder lässt er liefern und drapiert es, als hätte er es
zubereitet? Und ob er sie mit Rosen überraschen würde?
Sie war glücklich und konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Als sie um die Hausecke bog und die Straße mit ihrem Haus erblickte, verschwand das Lächeln sofort und machte dem Gefühl der Panik Platz.
Es war, als würde all ihr Blut wie von einem Magneten angesogen, nach unten in die Beine strömen und ihr wurde schlagartig flau im Magen.
Vor ihr sah sie die blauen Lichter flackern, beschäftigtes Gemurmel und Männer in Schutzkleidung. Sofort ging ihr Blick zu ihrer Etage und ihr stockte der Atem. Aus ihrem Küchenfenster stieg dunkler Rauch zum Himmel hinauf. Das Fenster stand weit offen.
Kai! Wo war Kai? Eben noch wie angewurzelt stehend fing sie jetzt das Rennen an. Ihre Hände umklammerten wie ein Schraubstock den Griff des Korbes, als wollte sie diesen zum Bersten bringen.
Wo war Kai?  Und dann, zwischen all den Feuerwehrhelmen, entdeckte sie einen kurzen, dunkelbraunen Haarschopf.
„Kai!“ rief sie, ließ den Korb fallen und rannte ihm direkt in die Arme. Als sie sich nach einem Moment los ließen, fand sie endlich Worte: „Was ist passiert? Geht’s Dir gut?“
Und da erst sah sie die Blumen, die er in den Händen hielt.
„Sie haben Glück gehabt, “ unterbrach sie ein Feuerwehrmann, „die Tür ist zwar hin, und der Topf. Aber nach ein wenig lüften, merken sie kaum noch was.“
Er klopfte Kai auf die Schulter, lächelte ihn mitfühlend an und ging.
„Kai, was ist passiert?“
„Ich hatte die Blumen vergessen. Als ich aus dem Garten ein paar Blumen gepflückt hatte und vor der Tür stand, hab ich gemerkt, dass der Schlüssel von innen steckte.“
Claudia musste grinsen.
„Und das Essen war auf dem Herd und kochte weiter?“
Kai nickte.
„Zum Glück war Frau Meier da. Die schien den Rauch noch vor mir zu riechen und hat die Feuerwehr gerufen.“
Claudia fing an zu lachen. Sie war erleichtert, dass nichts weiter passiert war.
„Und nun?“
„Tja, ich glaube, das Sauerkraut können wir nicht mehr essen.“
Da fiel ihr der Korb mit dem Obst ein. Sie holte ihn schnell.
„Wir hätten da noch Nachtisch.“
Kai grinste, sagte ihr, sie solle kurz warten und nachdem er mit einem Feuerwehrmann sprach, kam er mit einer Decke zurück.
„Ich hab eine Idee, komm mit!“
Händchenhaltend gingen sie zur Wiese vor dem Haus. Kai breitete die Decke aus und Claudia stellte den Korb ab.
„Es ist zwar nicht das Ritz, aber ich hoffe, Du bist damit auch zufrieden.“
Und mit diesen Worten nahm er eine Erdbeere und fütterte sie.
„Nächstes Jahr…“ fing Kai an.
„… kochen wir gemeinsam,“ beendete Claudia den Satz.

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